Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
Vom Netzwerk:
runzelte die Stirn, als er sah, wie Joseph sich an einem Tisch festhalten musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. An seine Hochzeit und die anschließende Hochzeitsnacht würde der Bräutigam sich wohl sein Leben lang nicht mehr erinnern.
    ***
    Mit jeder Stunde, die verging, fühlte Demy sich unbehaglicher. Ihre Aufsteckfrisur löste sich allmählich auf und die widerspenstigen Locken kringelten sich um ihr Gesicht, und das ungewohnte Korsett, das Henny ihrer ohnehin schlanken Figur und ihren mangelnden weiblichen Formen zum Trotz eng geschnürt hatte, raubte ihr den Atem.
    Ihr Missgeschick beim Knicks vor Rathenaus Begleiterin war zu ihrem Leidwesen von sehr vielen anwesenden Gästen gesehen worden. Demy wusste nicht, wie es dazu gekommen war, vermutete aber, ihre Tollpatschigkeit habe etwas mit Julia Romeike zu tun gehabt. Die Dame war eine Schönheit, wie Demy sie nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Ihre makellose Haut war glatt und samtig, ihre Gesichtszüge klassisch schön wie die einer griechischen Statue. Das beinahe weißblonde Haar schimmerte im Licht der Kandelaber schöner als so manches Schmuckstück, und ihre schlanke, aber wohlproportionierte Figur erregte sicher den Neid der anderen Damen … und das Begehren der Herren.
    Demy hatte den Eindruck gewonnen, als sähe Julia auf den ersten Blick, wie wenig Demy in diese Gesellschaft passte. Gänzlich verwirrt hatte sie dann das beinahe verschwörerische Augenzwinkern der schönen Dame, nachdem sie sich endlich wieder aufgerappelt hatte. Demy war so durcheinander gewesen, dass sie kurze Zeit später gegen einen der männlichen Gäste stieß und ihr Wasser über seinen feinen Anzug verschüttete. Zwar entschuldigte er sich höflich bei ihr, doch sie beide wussten, dass der Fehler bei Demy lag.
    Wenig hilfreich war auch die Tatsache, dass Philippe sie ständig unter Beobachtung zu haben schien und spöttisch über ihre Ungeschicklichkeiten grinste. Sie fühlte sich zunehmend unwohler in ihrer Haut. Da half es auch nicht, dass sie dem Leutnant böse Blicke zuwarf, die er mit einem amüsierten Blinzeln konterte.
    Plötzlich rissen laute Stimmen Demy aus ihren Gedanken. Der Bräutigam und sein Vater gerieten nahe der Fensternische, in die sie sich zurückgezogen hatte, in Streit. Erschrocken über den herrischen Tonfall des Familienpatriarchen fuhr Demy herum, doch in diesem Augenblick begann das Orchester wieder zu spielen, sodass nur sie und vielleicht noch Maria, die Haushälterin, den weiteren Disput mit anhörten.
    »Halte dich gefälligst zurück, Sohn. Du hast Rathenau eingeladen, sonst wäre er wohl kaum hier.«
    »Zweifellos hat er eine Einladung erhalten, ebenso das Haus Siemens, dort hingegen war man klug genug zu wissen, dass diese Einladung nur eine förmliche Höflichkeit darstellte.«
    »Aber es macht durchaus einen guten Eindruck, wenn Rathenau dir und Tilla die Ehre gibt …«
    »Aber ja! Man fragte mich bereits, ob Meindorff-Elektrik der nächste Familienbetrieb sei, den die AEG schluckt.«
    »Du hast zu viel getrunken«, rügte sein Vater und ging dann erst auf seine Bemerkung ein: »Selbst die großen und mittleren Betriebe, die aus ihrem Unternehmen eine AG machten und Großbanken wie die Deutsche Bank mit ins Boot nahmen, wurden zwischenzeitlich von der AEG oder Siemens übernommen. Dass eine Änderung der Firmenstruktur sie schützen könne, ist ein trügerischer Schluss. Ich bin nach wie vor mein eigener Herr, und meine Entscheidungen werden nicht von geld- oder machtgierigen Dompteuren beeinflusst. Und jetzt mäßige deine Stimme, höre auf zu trinken und kümmere dich um deine Gäste!«
    »Vater, wir müssen dringend über neue Märkte sprechen. Meine Brauerei läuft gut. Es wäre sinnvoll, für ein drittes Standbein zu sorgen. Während der Wirtschaftskrise Anfang des Jahrhunderts hat uns unsere Konzentration auf die Elektrobranche beinahe Kopf und Kragen gekostet. Wir könnten, wie Philippe vorschlug, in den Kolonien …«
    »Schluss jetzt! Das Meindorffer Unternehmen gibt es seit dem achtzehnten Jahrhundert, seit 1848 sind wir im elektrischen Bereich tätig und Meindorff-Elektrik wird es auch in zweihundert Jahren noch geben!«
    Demy zuckte unter der aufbrausenden Stimme erschrocken zusammen; Joseph beruhigte sich zumindest äußerlich.
    »Ich wollte Sie nicht aufregen, Vater«, sagte er leise und verließ die durch einen kunstvoll drapierten Vorhang geschützte Nische. Als er mit großen Schritten an ihr vorbeimarschierte,

Weitere Kostenlose Bücher