Himmel ueber fremdem Land
verprellen wohl gern die Gäste des Brautpaares, Herr Leutnant?«
»Kleine Demy, ich bin der Dame voller ehrlicher Zuneigung begegnet. Dies erscheint mir weit weniger verwerflich als Ihre Versuche, die Begleitung von Rathenau zu Fall bringen zu wollen, sich beinahe selbst zu ertränken oder einem Offizier der kaiserlichen Truppe schwerwiegende Verletzungen durch Ellenbogenstöße zuzufügen.«
Belustigt beobachtete er, wie das Mädchen erst errötete, ihn dann aber mit wütend funkelnden Augen anblitzte. »Sie … Sie übertreiben maßlos!«, fauchte sie, wenn auch in beherrschter Lautstärke. »Das waren lediglich Missgeschicke, während Ihre Attacke der Dame gegenüber mit voller Absicht geschah.«
»Fühlte sie sich denn von mir angegriffen, schwarzes Schäfchen?«
»Nennen Sie mich nicht so! Und ja, heute fühlte sie sich ganz offensichtlich angegriffen.«
»Heute?« Philippe schmunzelte vor sich hin. Nun erschloss sich ihm auch, wer in der vergangenen Nacht Zeuge seines heimlichen Treffens mit Brigitte von Ehnstein geworden war. »Du bist das also gewesen?« Er lachte über ihre entsetzt aufgerissenen Augen und noch mehr über die angriffslustig in die Hüfte gestemmten Hände. »Dann lass dir das eine Lehre sein, halbe Portion! Die Menschen sind oft nicht das, was sie zu sein vorgeben. Ist die junge Frau wirklich so behütet und von untadeligem Ruf oder vielmehr ein heißblütiges Flittchen mit einem delikaten Geheimnis? Steckt hinter einem erfolgreichen Herrn mit Macht und Prestige ein erbärmlicher Feigling mit zweifelhafter Vergangenheit und fragwürdigen Idealen?«
»Bei Letzterem sprechen Sie gewiss von sich selbst?«
Seine Mundwinkel zuckten kurz. So viel Frechheit hätte er dem van Campen-Mädchen gar nicht zugetraut. Allerdings schien sie ein wenig über sich selbst erschrocken zu sein, denn sie verschränkte ihre Arme hinter ihrem Rücken, als suchten sie dort einen Halt.
Ohne ihr die Möglichkeit zu einer Entschuldigung einzuräumen erwiderte er: »Mein wahres Ich werde ich mit Sicherheit nicht vor dir ausbreiten. Immerhin versteckst du deines ja ebenfalls sorgfältig – oder bemühst dich zumindest darum!«
»Sie sind doch wirklich der respektloseste, uncharmanteste …«
»Ist das der Wortschatz eines niederländischen Kindes aus gutem Hause im zarten Alter von, nun, sagen wir, dreizehn Jahren?« Philippe wartete auf einen entrüsteten Protest ihrerseits. Dessen Ausbleiben bewies ihm zwei Dinge: Zum einen, dass seine Einschätzung von Demys Alter zutraf, zum anderen, dass sie ehrlich genug war, ihn diesbezüglich nicht anzulügen.
Ging die Schummelei auf Tillas Konto oder auf das des Vaters der beiden Mädchen? In jedem Falle hatte dieser van Campen sein Ziel erreicht: Seine Töchter waren erfolgreich im Hause von Meindorff untergekommen!
Um Demy musste er sich gewiss keine Gedanken machen. Sie war trotz ihrer Jugend aufgeweckt genug, um sich ihrer Haut zu wehren.
Ein Tanzpaar wirbelte auf der nahezu geleerten Tanzfläche so knapp an Philippe vorbei, dass er unwillkürlich einen Schritt nach vorn auswich. Er kam Demy dabei sehr nah und sie schaute erschrocken zu ihm auf.
»Du hast doch nicht etwa Angst vor mir?«
»Vielleicht wäre es besser für mich, wenn ich die hätte!«, gab sie schlagfertig zurück.
»Philippe!«
Der Angesprochene beobachtete amüsiert, wie Demy sich zu Hannes umdrehte und ihm ein erfreutes Lächeln schenkte. Sein Freund sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
»Ich tu der Kleinen nichts. Aber du darfst gern weiterhin ihren Beschützer spielen«, lachte Philippe, woraufhin Hannes dem Mädchen prompt seinen Arm anbot und Philippe im Weggehen noch einen vorwurfsvollen Blick zuwarf.
Dabei hörte er Hannes sagen: »Keine Angst, Demy. Hunde, die bellen, beißen nicht! Im Grunde ist er ein prima Kerl.«
»Also, ich mag ihn nicht!«, lautete Demys ungeschöntes Urteil.
Gut so! , dachte Philippe zufrieden. Er überließ das Mädchen für den Rest des Abends dem fürsorglichen Hannes. Das Fest ging auch ohne das Brautpaar weiter, nachdem die Frischvermählten sich verabschiedet hatten und zu ihrer mehrwöchigen Hochzeitsreise aufgebrochen waren.
***
Nach zwei Stunden Schlaf sprang Philippe mit neuem Elan aus dem Bett, zog sich an und weckte den verschlafenen, mürrischen Hannes. Die gebrummten Beschwerden seines Freundes ließ der Leutnant einfach an sich abprallen.
Nach seinem Abitur an der Elite-Kadettenanstalt Groß-Lichterfelde hatte Philippe seine
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