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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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dass mein langes Warten nicht vergebens gewesen war.
    Dann folgten zwei gute Jahre. Von einem gewissen Blickwinkel aus kann man es tatsächlich so zusammenfassen. Es waren wahrlich die besten Jahre meines Lebens, zur schreibenden Stunde kann es gut sein, dass ich noch dreißig oder vierzig vor mir habe, doch ich zweifle stark daran, dass ich das gleiche Gefühl von Sinn und Nähe noch einmal erleben werde. Dass das Dasein eine gewisse Schwere und Dichte hat und dass man in einen Zusammenhang gehört. Mit Erwartungen morgens aufwacht und in schöner Zufriedenheit abends einschläft. Die Epoche der dünnen Bläue war vorüber, so konnte man es auch beschreiben, doch die rote Flut strömte unbeirrt weiter.
    Auch wenn unsere Beziehung weiterhin heimlich blieb – Carla bestand darauf, und ich stellte die Notwendigkeit dafür nicht in Frage –, so gingen wir gewisse Routinen ein. Wir gingen nie gemeinsam aus, weder ins Theater noch in Konzerte oder ins Restaurant; das Einzige, was wir uns gönnten, war ab und zu eine späte Kinovorstellung, meistens im Odeon unten am Marble Arch, aber eigentlich hatten wir gar kein Bedürfnis auf derartige kleine Fluchten vor der Wirklichkeit. Wenn es über kurz oder lang für uns ein Leben mit Freunden und Kontakten und einer Art von Normalität geben sollte, dann würde das so sein, wenn die Zeit dafür reif war. So dachten wir, und ich weiß, dass wir beide vollkommen zufrieden mit den Bedingungen waren.
    Wir verabredeten uns nicht mehr zu zufälligen Treffen an zufälligen Adressen, die Carla auf irgendeine Art und Weise herausgesucht hatte. Stattdessen besuchte sie mich in meiner kleinen Wohnung an der Craven Terrace, doch auch hier trafen wir gewisse Vorsichtsmaßnahmen. Carla besorgte sich zwei Perücken, die eine blond, die andere rot, und ein paar hässliche Popelinemäntel, die sie an einem Stand in der Petticoat Lane gekauft hatte und nur für unsere Treffen anzog, und sie trug immer eine Brille, wenn sie auf dem Weg zu mir war. Groß und unkleidsam, gern auch noch ein Kopftuch, aber nicht immer. Von meinem Standpunkt aus gesehen waren das vermutlich keine wichtigen Maßregeln, ich hatte mit meinen Nachbarn in den unteren Stockwerken gar keinen Kontakt, doch Carla ließ sich darin nicht beirren – und wenn ich zurückschaue, dann ist es fast immer ihr Auftritt in meinem engen Flur, als Blondine oder rothaarig, der als Erstes vor meinem inneren Auge auftaucht. Das Bild, wie sie ihren schmutzigen Mantel an einen Haken hängt, den braunen oder den cremefarbenen, sich die Perücke und die Brille abreißt, ihr eigenes schwarzes Haar schüttelt und lacht, ja, nie war sie unwiderstehlicher als in so einem Augenblick.
    Dass unsere gemeinsame Zeit dennoch begrenzt war – auf eine Art, die wir eigentlich nie diskutierten und die wir nie versuchten zu präzisieren –, war eine Tatsache, die wir auf die gleiche Art behandelten wie die Tatsache, dass wir eines Tages sterben würden. Dass unsere Tage auf jeden Fall gezählt waren. Natürlich konnte unser Leben nicht ewig so weitergehen, doch in den gut zwei Jahren, die uns gegönnt waren, von August 1969 bis Mitte Oktober 1971, lebten wir wirklich – jedes Mal, wenn wir uns trafen – so intensiv im Hier und Jetzt, dass wir ganz einfach gar keine Zeit hatten, uns über den nächsten Tag Sorgen zu machen. Warum hätten wir das auch tun sollen? Was hätte es gebracht? Carla lebte zusammen mit einer Kollegin in einer kleinen Wohnung in Hammersmith, ich besuchte sie nie dort, und ich kannte nicht einmal die genaue Adresse. Wir verbrachten mindestens einen Abend und eine Nacht in der Woche zusammen, immer, wie gesagt, Wand an Wand mit meinen Tauben und Fledermäusen in Craven Terrace. Ihr Ritual, bevor sie zu mir kam, lief immer auf die gleiche Art ab, sie beschrieb es mir mehrere Male detailliert, und ich glaube, es amüsierte sie, das zu tun – wie sie die U-Bahn Richtung West End nahm, mit ihrer kleinen grünen Stofftasche, eine Eintrittskarte löste und in eine frühe Kinovorstellung in einem der Kinos in Notting Hill oder Bayswater schlüpfte. Ein paar Minuten nachdem der Film angefangen hatte, ging sie auf die Toilette, schloss sich dort ein, öffnete die Tasche und setzte die entsprechende Perücke für diesen Abend auf. Mantel, Kopftuch und Brille. Verließ das Kino und lenkte ihre Schritte Richtung Craven Terrace. Einmal die Woche im Laufe von zwei Jahren; im Nachhinein habe ich mich gefragt, ob nicht irgendeiner der Menschen in

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