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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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anderes einfiel.
    Der Mann räusperte sich erneut. »Wenn Sie nicht bereits hier wohnten, hätte ich Sie gar nicht hereingelassen«, stellte er trocken fest. »In einer Nacht wie dieser sollte man ein Taxi nehmen. Auf jeden Fall dürfen Sie den Hund nicht mit hochnehmen. Sie hatten auch keinen Hund, als Sie hier eingecheckt sind.«
    »Das stimmt«, bestätigte Gregorius, »aber jetzt habe ich einen Hund. Es geht um …«
    Er machte eine Pause und dachte nach. Versuchte darauf zu kommen, worum es eigentlich ging. Die Kopfschmerzen blitzten wieder auf, und der kleine Mann auf der anderen Seite des glänzenden Tresens wurde für einen Moment unscharf.
    »Worum geht es bitte?«, fragte er mit Betonung auf jede einzelne Silbe.
    »Es ist eine Herzensangelegenheit«, sagte Gregorius.
    »Das glaube ich gern.« Der Kleine strich sich über die am tiefsten sitzende Augenbraue. »Aber Hunde sind hier unter keinen Umständen erlaubt.«
    Gregorius betrachtete Fingal und die große Pfütze, die sich um ihn herum auf dem Boden gebildet hatte. Ging für einen Moment mit sich selbst zu Rate, dann warf er der Nachtwache einen kühlen Blick zu und drehte auf den Hacken um.
    »Ich verstehe«, sagte er, »Sie sind ein Rassist.«
    Mit einem missmutigen Hund im Gefolge schritt er durch den Eingang wieder nach draußen.
    Es regnete weiter ununterbrochen stark, und es war nicht leicht, Fingal begreiflich zu machen, dass er im Hinterhof warten sollte. Aber schließlich blieb er doch neben den schwarzen Müllcontainern sitzen, und Gregorius gelangte ungehindert ins Hotel und vorbei an der bösartigen Nachtwache. Gott sei Dank hatte er seine Schlüsselkarte in der Gesäßtasche und musste nicht ein Wort mit diesem Miesepeter wechseln. Nach gewissen vorsichtigen Manövern gelang es ihm außerdem, auf der Rückseite das Hotel wieder zu verlassen, und kurze Zeit später hatte er es geschafft, auf Flucht- und Schleichwegen den zitternden und erbärmlich aussehenden Schäferhund in sein Zimmer zu lotsen.
    Er riss sich die Kleider vom Leib und warf sie in die Badewanne, platzierte den Hund auf dem langflorigen Teppich vor dem Fenster und sich selbst im Bett. Die roten Ziffern unter dem großen Fernsehbildschirm zeigten, dass es inzwischen vier Minuten nach fünf geworden war. Der Regen peitschte auf das Fensterblech.
    Als er den Kopf aufs Kissen legte, spürte er, wie das Zimmer anfing zu schaukeln. Das Licht im Tunnel war auch erloschen, und er überlegte, ob er lieber zur Toilette gehen und sich noch einmal erbrechen sollte. Doch die Kräfte versagten. Noch nie in meinem Leben war ich so erschöpft, dachte er. Das hier ist der absolute Niedrigwasserstand. Aber was soll’s, morgen um diese Zeit werde ich steinreich sein.
    Und wenn ich Paul F. Kerran geworden bin, wird das Leben ganz anders aussehen. Hol’s der Teufel, ich habe alles unter Kontrolle.
    Dann schlief er ein, und als Fingal Eckzahn ein paar Minuten später zu ihm ins Bett kroch und seinen schweren, nassen Hundekopf auf seine Beine legte, merkte er nichts davon.

46

Irina
    I rina Miller wachte mit einem Ruck auf.
    Ein Gefühl von Gefahr, von etwas Bedrohlichem, Fremdem, saß wie ein Nagel in ihrem Bewusstsein. Das Zimmer lag im Halbdunkel, sie stützte sich auf die Ellenbogen und schaute auf die Uhr. Viertel nach sieben. Sie fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und durchs Haar, versuchte diese Angst abzuschütteln, aber vor allem herauszufinden, woher sie stammte. Wahrscheinlich aus einem Traum, doch wie sehr sie sich auch anstrengte, sich durch die Jalousien des Schlafs zurückzuarbeiten, es kamen keine Bilder. Keine Bilder und keine Erklärungen.
    Sie erinnerte sich an das Gewitter der letzten Nacht. Der Regen hatte nach allem zu urteilen in den frühen Morgenstunden aufgehört, jetzt sickerte ein scheuer Streifen Morgenlicht durch die nicht ganz zugezogenen Gardinen. Sie schaute sich im Zimmer um. Alles war, wie es gewesen war, als sie ins Bett ging, zumindest soweit sie sich erinnern konnte, und dann fiel ihr Blick auf das Buch auf dem Boden.
    Es lag direkt neben dem Bett, sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie es dorthin gekommen war, ob es vielleicht vom Nachttisch gefallen war oder sie es bewusst dort hingeworfen hatte. Wobei ihr Letzteres nicht ähnlich sehen würde. Dinge auf den Boden zu werfen, einfach so, und dann noch mit dem Rücken nach oben, nein, wirklich nicht, dachte sie. Sie war in den kleinen Dingen genauso sorgfältig wie mit der Hygiene, im Großen

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