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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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Attrappe, die er sich in einem Laden in der Portobello Road besorgt hatte. Aber trotzdem, er spürte eine Erleichterung, die der eines Dirigenten nicht unähnlich war, wenn dieser nach den ersten Takten feststellt, dass das gesamte Orchester sich wirklich so verhält, wie er es erwartet hat. Die Kreditkarte war übrigens nicht zu gebrauchen, da er sie bereits gesperrt hatte, bevor er von zu Hause losgefahren war, aber es war sein richtiger Ausweis und auch die Scheine waren echt. Und die Telefonnummer war richtig. Natürlich.
    Er eilte The Broad Walk entlang quer durch die Kensington Gardens und war erst seit einer Viertelstunde wieder im Lords , als sie anrief. Er gab sich alle Mühe, ausgesucht langsam zu sprechen, wobei er sein Englisch auf Idiotenniveau herunterschraubte, und als er den Hörer aufgelegt hatte, war er sich sicher, dass sie ihn nicht durchschaut hatte.
    Und wie hätte sie das auch? Das war eine gute Frage, über die er selbst schmunzeln musste. Außerdem begriff er, dass Irina Miller kein Problem darstellen würde. Er hielt dieses Buch für sie bereit, und wenn man ihren Hintergrund bedachte, ihr Verhalten an diesem Herbstabend auf der regnerischen Landstraße, dann konnte man wohl behaupten, dass sie ungefähr das bekam, was sie verdient hatte.
    Als er dann am selben Nachmittag in einem Pub am Strand saß und Gregorius Miller alias Paul F. Kerran im Blick hielt, las er in der Zeitung zum ersten Mal über einen Mörder, der »The Watch Killer« genannt wurde.

V.

53

Das gelbe Notizbuch
    A m Morgen des 23. März, demselben Tag, an dem ich den Nachtzug nach Paris nehmen sollte, klingelte es an meiner Tür am Sutherland Place. Obwohl es erst halb acht war, war ich bereits hellwach und angezogen. Ich hatte noch einiges zu erledigen, was man so vor einer Reise zu erledigen hat, deshalb war ich zu dieser ungewöhnlichen Zeit bereits aufgestanden.
    Es war ein Mann in den Fünfzigern. Er stellte sich als Mr. Kovak vor, hatte einen deutlichen Akzent, und ich meinte sofort, ihn wiederzuerkennen. Es dauerte jedoch ein paar Stunden – lange nachdem er mich wieder verlassen hatte –, bis es mir gelang, ihn zu identifizieren.
    »Mr. Vermin«, begann er. »Ich habe eine Kleinigkeit für Sie. Würden Sie so nett sein und mich kurz hereinlassen?«
    Er trug wieder einmal einen abgetragenen schwarzen Anzug. Schwarze Schuhe, weißes Hemd, am Hals aufgeknöpft. Dunk les, schütteres Haar, tief liegende Augen und eine krumme Nase, die einmal etwas abbekommen hatte. In einer Hand hielt er eine Aktentasche.
    Ich zögerte einen Moment, dann ließ ich ihn herein. Wir setzten uns in die Küche. Er legte die Aktentasche zwischen uns mitten auf den Tisch.
    »Mr. Vermin«, sagte er. »Wir wissen ja, dass Sie sich heute Abend auf eine Reise begeben werden.«
    »Wir?«, fragte ich.
    Er ignorierte meine Frage. Öffnete das Schloss der Tasche, aber nicht die Tasche.
    »Ich glaube, ich brauche keine großen Erklärungen vorauszuschicken«, sagte er und zog kurz die Oberlippe zu einer Art Lächeln hoch. Ich registrierte, dass er ungleichmäßige, leicht verfärbte Zähne hatte.
    »Sie waren ja schon früher mit dabei.«
    »Ich verstehe nicht, wovon Sie reden«, sagte ich.
    »Wie gesagt, es handelt sich nur um einen einfachen kleinen Auftrag.«
    Er öffnete die Tasche und holte etwas heraus. Schloss die Lasche und den Verschluss wieder. Sorgfältig verbarg er vor mir, was er in seiner geballten Hand hielt, während er mit der Tasche beschäftigt war und sie anschließend auf den Boden stellte. Er erinnerte an einen fernen, unerwünschten Verwandten, der zu Besuch gekommen war und seine Nichten und Neffen mit einem Geschenk aus einem fremden Land überraschen wollte. Irgendwelchem Schnickschnack, den er in aller Eile auf dem Flughafen oder Bahnhof gekauft hatte. Ich wollte schon aufstehen und ihn bitten, mich in Ruhe zu lassen, wahrscheinlich ahnte er das, denn er hob seine leere Hand, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Ein wenig entschuldigend, glaube ich, wobei ich nicht weiß, was er entschuldigen wollte.
    »Also«, sagte er. »Du machst das für deine Freundin, und wir wollen doch nicht, dass etwas schiefgeht mit deiner Reise. Nicht wahr?«
    Plötzlich ganz familiär. Meine Widerstandskraft brach ebenso schnell zusammen, wie sie vorher gewachsen war.
    »Worum geht es?«
    »Nur um diese Kleinigkeit«, sagte er einfach und öffnete die Hand. »Es ist eine Lappalie, die dich ein Wimpernzucken kostet.«
    Es war ein

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