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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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Deodorantstift. So eine Roll-on-Geschichte einer Marke, die ich kannte, aber selbst nie benutzt hatte.
    »Du packst das in deine Kulturtasche, und wenn du in Prag eingetroffen bist, dann kommt jemand und holt es ab.«
    Ich war seit zwei Jahren nicht mehr in solche Transaktionen involviert gewesen, und jetzt fühlte es sich an wie sauer aufzustoßen. Ich betrachtete ihn, während ich mir eine Zigarette anzündete, und versuchte, ruhig und desinteressiert auszusehen. Er stellte den Stift vor mir auf den Tisch.
    »Eine äußerst einfache Transaktion.«
    »Ich habe mit solchen Sachen aufgehört«, sagte ich.
    Wieder zeigte er mir seine schlechten Zähne.
    »Dann lass uns sagen, dass du hier und jetzt damit aufhören wirst.«
    Ich zog an meiner Zigarette und überlegte. Er holte ein Päckchen Chesterfield heraus und zündete sich auch eine an. Es verging eine halbe Minute, vielleicht sogar eine ganze, ich dachte, es war wie bei einer Schachpartie, bei der beide glauben, der andere wäre am Zug.
    »All right«, sagte ich schließlich. »Und was bekomme ich für meine Mühe?«
    Wenn es tatsächlich eine Schachpartie war, dann war das ein sinnloser Zug.
    »Das muss ich dir nicht erklären«, sagte er, und jetzt klang er fast amüsiert. »Du bekommst einen wunderschönen Aufenthalt in Prag, reicht das nicht? Das ist eine alte Stadt. Sie ist ein wenig in Ungnade gefallen, aber das wird schon vorbeigehen.«
    Sie? Das war eine Erklärung, so doppelbödig, dass er sie einstudiert haben musste.
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Aber ich denke nicht daran, noch einmal mitzumachen.«
    »Das haben wir doch schon abgemacht«, sagte Mr. Kovak und stand auf. Er streckte mir über den Küchentisch die Hand entgegen, bedankte sich für das Gespräch und ließ mich allein.
    Als ich meinen Platz im Liegewagen des Zugs einnahm, war ich nervös, natürlich war ich das.
    Nicht wegen des neuen Deodorants in meinem Gepäck, sondern aus anderen Gründen. Fast zweieinhalb Jahre waren vergangen, seit Carla und ich getrennt worden waren, und auch wenn wir in den letzten Monaten miteinander kommuniziert hatten, so lag doch eine lange Zeit und ein ganzes Meer an Unsicherheit zwischen uns.
    In einem der unzensierten Briefe hatte sie versichert, dass sie mich liebte und wirklich ihr Leben mit mir teilen wollte, aber was das bedeuten sollte, das wusste ich nicht. In meinen Gedanken sprang ich von einer Interpretation zur nächsten, von dem einen möglichen Zukunftsszenarium zum anderen. Konnte ich mir vorstellen, in Prag zu bleiben? Konnte ich das wirklich? Sie heiraten, Kinder mit ihr bekommen und eine richtige Familie gründen? In einem Land, in das ich noch nie meinen Fuß gesetzt hatte und in dem eigentlich keiner von uns leben wollte. War es das, was sie sich wünschte? Oder sollte es möglich für sie sein, wieder auszureisen? Ohne dass es eine Gefahr für ihre Familie bedeutete?
    Diese Dinge waren nicht einzuschätzen, und ich ahnte, wie sehr ich auch versuchte, abzuwägen, zu spekulieren und mich vorzubereiten, alles würde in dem Moment, in dem ich sie wiedersah, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Dann würde ich es wissen, redete ich mir ein. Und wenn nicht sofort, dann zumindest nach einer Weile. Nach ein paar Tagen oder Wochen. Mein Visum war für einen Monat gültig, bis zum 25. April. Ich hatte keine Rückreise gebucht, da … ja, da ich nicht einmal wusste, ob ich zurückfahren würde.
    Diese Gedanken hielten mich wach, während der Zug durch die Nacht fuhr. Über den Ärmelkanal, durch Nordfrankreich auf Paris zu, wo ich früher in meinem Leben schon einmal einen Tag und eine Nacht verbracht hatte.
    Es gab noch eine neue Komplikation, und die betraf natürlich das Deodorant in meiner Kulturtasche. Ich hatte es nicht untersucht, vielleicht enthielt es eine Art Mikrofilm, das war zumindest eine qualifizierte Vermutung, aber ich wusste es nicht. Der dunkelblaue Zylinder war ungeöffnet und zugeschweißt, wenn ich mir also den Inhalt näher hätte ansehen wollen, dann wäre es kaum möglich gewesen, ohne entdeckt zu werden. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich so einem Risiko nicht aussetzen wollte.
    Aber nicht das Deodorant selbst war die Komplikation, sondern der Mann, von dem ich es entgegengenommen hatte. Ein paar Stunden, nachdem er mich verlassen hatte, war mir eingefallen, woher ich ihn kannte, und ich brauchte nicht lange, die Sache zu überprüfen. Mr. Kovak war schlicht und einfach identisch mit der letzten Person

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