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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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Stadt? Zehntausend? Vermutlich, wenn nicht noch mehr.
    Er überquerte Oxford Circus und ging ohne zu zögern weiter westwärts. Die Gedanken, die Fragen und seine Nervosität summten wie geile Hornissen in seinem Kopf, und er hatte keine Ahnung, wohin er eigentlich auf dem Weg war. Aber Bewegung war besser als Stillstand, das wusste er; deshalb zogen neun von zehn Lesern Erzählungen der Lyrik vor. Ohne zu wissen, warum, bog er nach links in eine Straße ein, die Woodstock Street hieß, und schon nach wenigen Metern tauchte hier ein Pub auf. Er begriff, das war kein Zufall, nichts konnte mehr irgendwelchen Zufällen zugeschrieben werden, er trat ein, kaufte sich ein Pint und einen kleinen Whisky und ließ sich an einem Tisch hinter einer altmodischen und seit Langem verstummten Jukebox nieder.
    Ich muss mich beruhigen, dachte er und kippte den Whisky hinunter. Das hat einen Sinn. Jede Erzählung hat eine innere Logik, einen roten Faden, es geht nur darum, ihn zu entdecken.
    Bier und Whisky erfüllten ihren Zweck. Als er die Kneipe zwanzig Minuten später verließ, hatte er sowohl eine Theorie als auch einen Plan. Auf der Oxford Street winkte er ein Taxi heran und bat den Chauffeur, so schnell es ging zum Hotel Rembrandt am Thurloe Place in Knightsbridge zu fahren.
    Es dauerte eine Viertelstunde, es hätte schneller gehen können, wenn es keine Probleme am Marble Arch gegeben hätte. Durch das Taxifenster meinte Lars Gustav erkennen zu können, dass es sich wohl um eine Demonstration, welcher Art auch immer, handelte, er entdeckte Fackeln und Spruchbänder, und für den Bruchteil einer Sekunde tauchte ein rot angemaltes Männergesicht direkt vor der Autoscheibe auf und ein Mund, der irgendetwas schrie. Was, das konnte er nicht verstehen, aber er war sich sicher, dass es nicht freundlich gemeint war.
    Er bezahlte mit einem weiteren Zwanziger, obwohl fünfzehn gereicht hätten, eilte durch das Hotelfoyer zum Rezeptionstresen, hinter dem zwei junge Frauen standen, die Hände ruhig auf dem kühlen Marmortresen gefaltet, und aussahen, als würden sie nur auf ihn warten. Die eine war blond, die andere dunkel, beide trugen fein gestreifte Uniformen und zeigten gepflegte Zähne. Er entschied sich für die Dunkle, aber das war nicht so wichtig, er nahm an, dass der Chefrezeptionist das hier sowieso würde regeln müssen.
    »Ein Chefrezeptionist?«, fragte sie freundlich und mit leichter Verwunderung. »So etwas haben wir hier nicht.«
    Lars Gustav Selén forderte sie auf, diese merkwürdige Behauptung zu wiederholen, was sie auch augenblicklich tat. Er erklärte, dass er ihren männlichen Kollegen mit dem kleinen schwarzen Schnauzer meinte und dass die Sache höchste Priorität hatte. Noch während er das vortrug, wurde er von einer vorübergehenden Schwindelattacke überfallen und war gezwungen, sich mit beiden Händen an der Marmorplatte festzuhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Als sich alles wieder stabilisiert hatte, konnte er eine deutliche Klimaveränderung im Verhalten der beiden Frauen feststellen. Ihre Zähne waren hinter strammen Lippen verschwunden, beide betrachteten ihn mit leicht hochgezogenen Augenbrauen, ein Paar hellbraun, ein Paar schwarz, und er erfuhr erneut, dass er sich irrte.
    »Natürlich haben Sie einen Chefrezeptionisten«, erklärte er, wollte das Handtuch nicht zu früh werfen. »Ich habe persönlich mehrere Male mit ihm gesprochen, ich kann mich nur nicht mehr daran erinnern, wie er heißt.«
    Augenblicklich sah er ein, dass das ein dummer Zug gewesen war. Es wäre besser gewesen, gleich zur Sache zu kommen, sein Anliegen zu erklären und herauszubekommen, wohin die Gäste aus den Zimmern 321, 323 und 325 gegangen waren. So kostete es nur Zeit, und er hatte seine Karten verspielt.
    »Ich bin auf der Suche nach einigen Ihrer Gäste«, beeilte er sich, hinzuzufügen. »Es ist wichtig. Es geht um Leben und Tod.«
    Während er das sagte, versuchte er freundlich zu lächeln, doch es hatte nicht den erwünschten Effekt. Die eine Frau nahm einen Telefonhörer hoch, wandte sich ein wenig ab, und es sah so aus, als würde sie jemanden herbeirufen. Lars Gustav Selén spürte plötzlich einen Stich von Hoffnungslosigkeit, gleichzeitig wurde ihm etwas klar. Bis jetzt war es nicht mehr als eine diffuse Ahnung, aber er begriff, dass es wichtig war. Eine Sekunde lang überlegte er, dann entschuldigte er sich und verließ den Tresen. Er drängte sich durch eine Gruppe jovialer Damen und Herren, die

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