Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)
lass uns mal der Familie deinen Entschluss mitteilen.«
1868
E llart hatte keine Einwände gehabt, anstelle seines Bruders zum Militär zu gehen. Er hatte keinerlei Ambitionen, einen Beruf zu ergreifen, nur eines war ihm klar: Untätig auf Birkenau herumzusitzen, bis er sein großväterliches Erbe antreten konnte, kam nicht in Frage. Da schien ihm das Militär noch die angenehmste Lösung. Und als Ferdinand vorschlug, ihn in Berlin bei den Gardeulanen unterzubringen, schien seine Zukunft genau den richtigen Weg einzuschlagen. Weg von Birkenau und seinem Großvater, der ihn ständig mit seinem fleißigen Bruder verglich, das war genau das, was er wollte!
»Mein alter Freund, Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen, ist dort Kommandeur«, sagte Ferdinand. »Du hast Gardemaß, bist ein exzellenter Reiter und siehst auch noch blendend aus. Es wird kein Problem sein, dich dort unterzubringen, Ellart.«
»So weit weg, muss das denn sein?«, jammerte dagegen Elvira. »In Königsberg gibt es doch genug Militär. Wie wäre es denn mit den Grenadieren, die liegen in Königsberg, Jungchen?«
»Lass man, Omachen, Berlin ist schon in Ordnung. Ich komme euch so oft es geht besuchen«, wehrte Ellart ab. Das fehlte noch, dass man ihn in der Nähe in ein Regiment steckte. Er wollte in die Welt hinaus!
Ein paar Monate später hatte Ellart mit Ach und Krach die Matura bestanden. Alexander war bereits vor vier Wochen zu seiner Lehre nach Allenstein aufgebrochen, und nun verließ auch Ellart Birkenau in Richtung Berlin.
Elvira weinte bitterlich. »Pass auf dich auf, Jungchen, und komm uns möglichst bald besuchen.« Heimlich steckte sie ihm ein Couvert mit Geld zu. »Damit du dich mal amüsieren kannst.«
Auch Aglaia hatte Tränen in den Augen. Sie umarmte ihren Sohn fest. Ihr fehlten die Worte. Nun ging auch noch ihr zweites Kind aus dem Haus, das Schloss würde leer sein. Wo war nur die Zeit geblieben?
Sein Großvater schlug ihm auf die Schulter. »Hals- und Beinbruch, und dass mir keine Klagen kommen.« Dann zog er ihn in seine Arme und sagte: »Sieh zu, dass du mit deinem Sold auskommst. Wenn es mal ganz knapp wird, lass es mich wissen.«
»Danke, Großvater«, war alles, was Ellart herausbrachte. Ein wenig mulmig war ihm schon zumute. Schließlich war er zum ersten Mal weg von zuhause und war ganz auf sich allein gestellt. Wie würde wohl sein zukünftiges Leben aussehen? Ferdinand begleitete ihn zur Bahn nach Insterburg. »Mach mir keine Schande, Junge«, sagte er zum Abschied. »Hohenlohe wird ein Auge auf dich haben.« Dann gab er ihm einen Umschlag. »Da drin sind Adresse und Schlüssel für meine Berliner Wohnung. Vielleicht willst du ja mal in der Stadt übernachten. Etwas Geld ist auch dabei, für alle Fälle. Und noch etwas, Ellart. Lass der Portiersfrau, sie heißt Frau Zielke, nach deinen Besuchen immer ein paar Mark da. Sie wird die Wohnung in Schuss halten.«
Ellart sah seinen Onkel erfreut an. Das überstieg tatsächlich all seine Erwartungen. »Das ist wirklich außerordentlich großzügig von dir, Onkel Ferdi. Ich danke dir tausend Mal.«
Der Schaffner hatte schon mehrmals in seine Trillerpfeife geblasen und zum Einsteigen gemahnt. Die Lok stieß jetzt dicke Dampfwolken aus und tutete, dass man kaum noch sein eigenes Wort verstand. Eine kurze Umarmung, dann sprang Ellart auf den anfahrenden Zug. »Leb wohl, Onkel Ferdi, und noch einmal danke für alles.«
Ferdinand schwenkte seinen Zylinder, bis der Zug seinen Blicken entschwunden war.
Das 3 . Gardeulanenregiment war nahe Berlin in der kleinen Garnisonsstadt Potsdam stationiert. Die kürzlich neu erbaute Kaserne lag in der Jägerallee, unweit des königlichen Schlosses. Als Erstes wurde Ellart eingekleidet. Die Uniform, eine dunkelblaue frackähnliche Jacke, Kollett genannt, mit rotem Kragen, goldenen Epauletten und gelben Knöpfen, sowie der blaue, rot eingefasste breite Gürtel und die engen grauen Hosen schienen wie für ihn gemacht. Ellart fühlte sich großartig, als er gleich anschließend dem Kommandeur vorgestellt wurde, der ihn mit einem anerkennenden Blick musterte.
»Sie sind also der junge Kaulitz. Willkommen bei den Ulanen. Wie geht es meinem alten Freund Ferdinand?« Nach ein paar allgemeinen Floskeln war die Audienz beendet, und Ellart sollte seinen Kommandeur in Zukunft nur noch aus der Ferne zu sehen bekommen.
Seine Stube teilte er mit Meinhard von Ehrenfels. »Also aus Ostpreußen kommst du! Ich bin aus Pommern, genauso schlimm, beides
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