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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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trinken. Das erste Prosit gebührt ihm.«
    Meinhard kannte sich aus in Berlin. Er wusste, in welchem Ballett die hübschesten Tänzerinnen tanzten, wo es die besten Theaterstücke gab und welches Varieté sich zu besuchen lohnte. Überall wurde er freudig begrüßt, und meistens endeten ihre nächtlichen Ausflüge in der Clausewitzstraße, oft in Begleitung eines oder mehrerer hübscher Mädchen. Die Wohnung glich nach jedem Besuch einem Schlachtfeld. Aber dank des gut gefüllten Couverts, das Ellart jedes Mal für die Portiesfrau zurückließ, war bei ihrem nächsten Besuch wieder alles in allerbester Ordnung.
    Auf Meinhards Rat trugen sie bei ihren Berlinbesuchen meistens Zivil. »In Uniform sehen wir fraglos viel besser aus. Allerdings steht man auch ständig unter Beobachtung. Überall begegnet man Offizieren, die man grüßen muss. Die Handschuhe haben blütenweiß zu sein, und der Tschako hat gerade zu sitzen, was nach ein paar Bieren nicht immer ganz einfach ist.« Er rollte die Augen. »Und benimmst du dich mal daneben, kann das verheerende Folgen haben. Glaube mir, ich weiß, wovon ich spreche.«
    »Am kommenden Wochenende ist Ausgehuniform angesagt«, rief Meinhard eines Abends, als Ellart völlig erledigt von seinem Dienst auf die Stube kam. »Mein Vater kommt nach Berlin. Er will dich kennenlernen und lädt uns ein, ihn zu einer Soiree zu begleiten.«
    Ellart machte ein skeptisches Gesicht. »Einen Abend nur mit alten Leuten … ich weiß nicht.«
    »Komm, alter Knabe, wir werden uns mit Anstand ein oder zwei Stunden langweilen, und dann verdrücken wir uns heimlich. Aber du verstehst, ich kann meinem alten Herrn die Bitte unmöglich abschlagen.«
    »Natürlich. Sicher gibt es Champagner und auch was Anständiges zu essen. Der Kasinopampf hängt mir allmählich zum Hals raus.«
    »Mir auch, mein Lieber, das kannst du mir glauben. Also, wir treffen meinen Vater um halb acht im Hotel Bristol. Und sieh zu, dass deine Stiefel geputzt und die Handschuhe sauber sind.«
    Fast alle Tische in der großen Halle des Hotels waren mit elegant gekleideten Männern und Frauen unterschiedlichen Alters besetzt. Der Schmuck der Damen und die Orden einiger Herren funkelten um die Wette. Kleine Lampen mit gelben Schirmchen verbreiteten ein schummeriges Licht, und das leise Stimmengewirr wurde untermalt von einem Klavierspieler im hinteren Teil der Halle. Der Rauch von Zigaretten und schweren Zigarren hing in der Luft. Befrackte Ober jonglierten mit vollen Tabletts zwischen den eng beieinanderstehenden Tischen. Es dauerte eine Weile, bis Meinhard seinen Vater entdeckte. Manch bewundernder Blick traf die beiden jungen Ulanen, wie sie sich, ihre Tschakos unter dem linken Arm, ihren Weg zu dem alten Herrn bahnten. Als er seines Sohnes ansichtig wurde, sprang er auf und lief ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen. »Was für eine Freude, dich zu sehen, mein Junge«, rief er und zog ihn an die Brust. Dann begrüßte er Ellart mit einem Handschlag. »Sie sind also der junge Kaulitz. Meinhard hat mir viel von ihnen geschrieben. Es ist mir ein großes Vergnügen, Sie endlich persönlich kennenzulernen.«
    »Ergebensten Dank, Baron von Ehrenfels«, sagte Ellart mit einer Verbeugung. »Die Freude ist ganz meinerseits.« Während Vater und Sohn angeregt miteinander plauderten, hatte Ellart Gelegenheit, den alten Herrn eingehend zu betrachten. Er wusste von Meinhard, dass er bereits Anfang sechzig war, machte aber auf ihn einen wesentlich jüngeren Eindruck. Er war so groß wie sein Sohn, mit dem gleichen markanten Kopf und der etwas zu großen Nase. Sein bartloses Gesicht war leicht gebräunt, und nur die vollen grauen Haare, kleine Falten um die Augen und der leichte Bauchansatz ließen sein wahres Alter ahnen.
    »Du hast ja ganz schön zugelegt, Papachen. Pass nur auf, dass die Knöpfe deiner Weste nicht abspringen und jemandem ein Auge ausschießen.«
    »Komm du mal in meine Jahre, Jungchen.« Der Baron schien in keinster Weise beleidigt. »Als ich so jung war wie du, spannte bei mir auch noch nichts.« Der Ober hatte inzwischen Champagner serviert. »Na denn man prost!« Der Baron erhob sein Glas. »Auf einen schönen Abend.« Dann wandte er sich an Ellart. »Wie geht es Ihrem Onkel Ferdinand? Wir haben früher viel zusammen gejagt.«
    »Danke der Nachfrage. Es geht ihm gut. Er lebt seit einiger Zeit wieder auf Birkenau.«
    »Ich hörte, Ihre Mutter ist eine geborene Wallerstein«, fragte Ehrenfels weiter. »Ich kannte Ihren

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