Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)
Champagner nachzuschenken. »Wie ihr wisst, führt Louise ein großes Haus in Königsberg. Mir wird dort also sicher nicht langweilig werden.«
»Ah, deine schöne Schwester«, rief Ferdinand. »Wie geht es ihr? Ich habe sie jahrelang nicht mehr gesehen.«
»Offensichtlich blendend. Sie ist gerade aus Malta zurück und schon wieder auf dem Sprung nach Zoppot … ich finde, langsam übertreibt sie ein bisschen.«
»Oh«, rief jetzt Aglaia aufgeregt, »Eberhard und ich machen nächste Woche unsere Hochzeitsreise nach Zoppot.« Sie blickte ihren Mann strahlend an. »Ist das nicht schön, Tante Louise dort zu treffen? Dann kann ich mich endlich für das wunderschöne Collier bedanken, das sie mir zur Hochzeit geschenkt hat.«
»Vielleicht sollte ich euch begleiten?« Wilhelmine sah ihre Tochter fragend an. »Ein bisschen Abwechslung könnte mir guttun.«
»Das wirst du gefälligst sein lassen!«, entfuhr es Elvira. »Die Kinder machen schließlich ihre Hochzeitsreise! Das Letzte, was sie gebrauchen können, ist ein Anstandswauwau!« Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen.
»Es gibt dort ohnehin über Wochen hinaus kein freies Zimmer«, versuchte nun Jesko die Situation zu retten. Er trat seinem Bruder unter dem Tisch kräftig ans Schienenbein. »Ferdinand wollte so gern auch für ein paar Tage hinfahren, aber es war schlicht unmöglich, ein Quartier zu bekommen.«
»Ja, leider …«, sagte Ferdinand äußerst überzeugend und nahm noch einen kräftigen Schluck Champagner.
»Nun, es war auch nur so eine Idee …« Wilhelmine erhob sich. »Aglaia, Liebes, willst du mir nicht mal dein Boudoir zeigen? Schließlich bin ich hauptsächlich deinetwegen hier.«
»Es hat ja reichlich lange gedauert, bis du dich dazu aufraffen konntest«, sagte Elvira, was ihr den nächsten wütenden Blick von Wilhelmine eintrug. Als Mutter und Tochter außer Hörweite waren, sagte sie kopfschüttelnd: »Wilhelmine ist ja total meschugge. Langsam spinnt sie wirklich!«
»Sie ist wie ein Pfau, nur leider nicht mehr so schön«, meinte Ferdinand versonnen.
Aglaia war äußerst befremdet, ja regelrecht abgestoßen vom Benehmen ihrer Mutter. »Ich verstehe Mama nicht mehr, Tante Elvira«, sagte sie nach Wilhelmines Abfahrt. »Sie ist so verändert. Was sollte denn bloß das Getue mit Onkel Ferdinand? Das war ja richtig peinlich. Und als ich sie gefragt habe, warum um Himmels willen sie denn bloß Wallerstein verlassen will, ist sie mir nur ausgewichen. Glaubst du ihr das?«
»Ehrlich gesagt glaube ich kein Wort davon. Das sind alles Ausreden. Es muss etwas Anderes dahinterstecken.« Und bei sich dachte sie: ›Irgendwann werde ich es schon herausfinden.‹
Dann fing Aglaia an zu weinen. »Ich habe sie gefragt, ob wir nicht einmal Tanyas Grab besuchen könnten. Ich hätte mich doch gar nicht von ihr verabschieden können. Aber da ist sie richtig wütend geworden. Sie hat mich angeschrien, ich solle sie nicht mehr an diese Schande erinnern … Eine Schande hat sie die arme Tanya genannt! Ungeheuerlich ist das, wie kann sie nur so böse sein!« Aglaia war völlig außer sich.
»Beruhige dich, mein Liebling.« Elvira nahm das weinende Mädchen tröstend in den Arm. »Deine Mutter ist verbittert. Daran wirst du nichts ändern können. Aber du trägst Tanya fest in deinem Herzen. Und das kann dir keiner nehmen.«
In der folgenden Woche wurde der Kauf von Schernuppen mit Overbeck zur beiderseitigen Zufriedenheit perfekt gemacht. Wegen einiger Unklarheiten hatten sich die Verhandlungen etwas in die Länge gezogen, und Aglaias und Eberhards Hochzeitsreise musste immer wieder verschoben werden. Aglaia war darüber gar nicht so unglücklich. Ihre morgendliche Übelkeit hatte ihr Wohlbefinden ziemlich beeinflusst. Aber nun ging es ihr wieder gut, Schernuppen war in den Besitz der Kaulitzens übergegangen, und ihrer Reise stand nichts mehr im Wege. Der Gutsinspektor Plenzrat, ein großer kräftiger Mann in den Vierzigern wurde zusammen mit dem übrigen Gesinde übernommen.
»Es sind alles gute Leute«, hatte Overbeck ihnen versichert. »Sie sehen es an den Unterlagen. In all den Jahren haben sie gute Arbeit geleistet. Ich kann sie Ihnen mit dem besten Gewissen empfehlen.«
Jesko war äußerst zufrieden. »Es ist nicht leicht, gute Leute zu finden, mein Junge«, hatte er zu Eberhard gesagt. »Ich bin froh, dass du mit Basedow und Plenzrat zwei so hervorragende Männer hast. Es macht dir das Leben deutlich leichter. Schließlich willst du
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