Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)
begrüßten sie morgens mit Freudengeheul, wenn sie – für ihre Begriffe – viel zu spät erschien, um mit ihnen einen Morgenspaziergang zu machen. Bald waren die drei unzertrennlich.
»Wie ich das so sehe«, sagte Jesko nach einiger Zeit, »sollte ich mir doch einen richtigen Jagdhund zulegen. Eberhard, frag doch mal, ob von dem letzten Wurf der Vorstehhündin auf Schernuppen noch einer zu haben ist.«
»Soweit ich weiß, ja. Der Jäger ist gerade dabei, sie für die Jagd abzurichten.«
»Sehr gut. Nächste Woche will der junge Overbeck endgültig mit uns den Kauf von Schernuppen festmachen, nicht wahr? Bei der Gelegenheit könnte ich mir doch gleich einen Hund aussuchen.«
Mit betretenem Gesicht war Aglaia der Unterhaltung gefolgt. »Aber Papachen, bist du mir böse? Findest du, dass ich deinen Hasso zu sehr verwöhnt habe?«, fragte sie, die Stirn in Falten gelegt.
»Um Gottes willen nein«, beruhigte sie ihr Schwiegervater. »Aber wenn ich ehrlich bin, habt ihr mich mit dem Welpen ein wenig überrumpelt. Alle meine Hassos waren Vorstehhunde. Sie sind für mich die perfekten Jagdhunde. Verwöhn du nur weiter deine beiden Lieblinge. Sie sind dir ja geradezu verfallen.«
»Genau wie ich!«, warf Eberhard lachend ein.
»Aber eine Bitte habe ich, Aglaia«, fuhr Jesko fort. »Den Namen Hasso beanspruche ich für mich. Du musst deinen kleinen Hund sofort umtaufen.«
»Das muss gleich begossen werden«, rief Ferdinand, der der Unterhaltung amüsiert gefolgt und dem jede Gelegenheit recht war, ein Gläschen zu trinken. »Was hältst du von Bello?« Und unter Gelächter wurde der ehemalige Hasso mit ein paar Spritzern Champagner auf den Namen Bello getauft.
Mitten in die heitere Stimmung meldete Willi: »Frau Gräfin von Wallerstein sind soeben eingetroffen.« Die Herren erhoben sich, um den Gast zu begrüßen.
»Ja Ferdi, du bist auf Birkenau? Was für eine Überraschung«, sagte Wilhelmine erfreut. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie er ihr seinerzeit den Hof gemacht hatte. Vielleicht konnte man ja wieder daran anknüpfen. Er war ja immer noch ein schöner Mann. Aglaias eben noch strahlendes Gesicht hatte sich verschlossen. Sie begrüßte ihre Mutter mit einer flüchtigen Umarmung. Diese schien nicht zu bemerken, wie kühl ihre Tochter sie empfing. »Aglaia, mein Liebling«, flötete sie, »ich höre, du bist schwanger. Was für eine wundervolle Nachricht!« Sie klopfte Eberhard neckisch mit ihrem Fächer auf den Arm. »Ich hoffe, du bist gut zu meinem lieben Mädchen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sie sich in einen Sessel fallen. »Was für eine Hitze! Geht dieser Sommer denn überhaupt nicht vorbei?« Willi bot ihr ein Glas Champagner an. »Oh, Champagner am Mittag«, plapperte Wilhelmine weiter, »was wird denn gefeiert? Etwa deine Heimkehr nach Birkenau, Ferdi? Ich wusste ja gar nichts davon.«
»Nun, ich bin schon eine ganze Weile hier«, sagte der, und Elvira warf ein: »Hättest du uns schon früher besucht, hättest du es auch früher erfahren.« Sie kochte vor Wut. Es war unübersehbar, dass sich Wilhelmine mehr für Ferdinand als für ihre Tochter interessierte.
»Wo kommst du denn gerade her, Ferdi?«, fragte Wilhelmine weiter. »Und gedenkst du diesmal länger zu bleiben? Du musst mich unbedingt auf Wallerstein besuchen.« Sie blickte ihn vielsagend an. »Wir könnten alte Erinnerungen austauschen.«
»Ach, Wilhelmine«, sagte Ferdinand leicht spöttisch, »du bist glücklich verheiratet und ich inzwischen ein alter Mann, müde und vergesslich …« Wilhelmine schien die ironische Zurückweisung nicht zu bemerken.
»Aber Ferdi, du ein alter Mann … dass ich nicht lache.«
»Was machen denn deine Umzugspläne?«, fragte Elvira, um der peinlichen Unterhaltung eine andere Richtung zu geben. »Willst du immer noch nach Königsberg ziehen?«
»Ja natürlich! Denkst du, mit so was mache ich Scherze?« Wilhelmine war jetzt ärgerlich, weil Elvira dieses Thema zur Sprache brachte.
»Ehrlich gesagt«, warf Jesko nun ein, »haben wir es alle für einen Scherz gehalten. Was willst du denn in Königsberg?«
Und Aglaia, die bisher geschwiegen hatte, sagte: »Ich verstehe das auch nicht, Mama. Wie kommst du bloß auf diese Idee?«
»Ach, Wallerstein wird mir langsam zu einsam«, meinte Wilhelmine leichthin und mit vielsagendem Blick zu Ferdinand. »Vielleicht will ich ja auch noch ein bisschen was vom Leben haben. Horst sehe ich ja schließlich kaum noch.« Sie gab Willi ein Zeichen, ihr
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