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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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»Es war himmlisch. Leider hat Friedrich überhaupt nichts übrig für die Oper.«
    »Dieses Los teilst du mit mir«, sagte Ursula. »Mein Fritz fällt bereits bei der Ouvertüre in Tiefschlaf.«
    »Erinnern Sie sich noch an den Richard Wagner?«, fragte Ferdinand. »Er war, ich glaube, es war 1836 oder 1837, Musikdirektor in Königsberg.«
    »O Gott, nur zu gut!«, rief Philine. »Er hatte bei aller Welt Schulden, auch bei meinen Eltern.«
    »Ja, und dann ist er bei Nacht und Nebel verschwunden. Aber seinen Schuldenberg hat er hiergelassen. Ein Skandal war das«, erinnerte sich Ursula.
    »Meinen Freunden und mir waren seine Schulden ziemlich egal«, lachte Ferdinand. »Wir fanden es eher bedauerlich, dass er auch das reizende Fräulein Minna Planer mitgenommen hat. Wissen Sie, die kleine Schauspielerin vom Theater. Aber was ich zu seiner Ehrenrettung sagen muss – seine Musik finde ich phänomenal.«
    »Also mir liegen Mozart und Beethoven mehr«, meinte Philine, »und auch Liszt liebe ich sehr.«
    »Apropos Liszt«, rief Ferdinand »er ist ein enger Freund von Wagner. Bald wird Lohengrin in Weimar uraufgeführt. Liszt wird die Leitung übernehmen. Ich plane, dann dorthin zu reisen.«
    »Ach, erzählen Sie uns doch nicht, es ist wegen dieser grässlichen Musik.« Ursula schlug ihm mit ihrem Fächer leicht auf die Hand. »Bestimmt ist die reizende Minna der Grund.«
    »Nein, wirklich nicht!« Ferdinand hob in gespielter Verzweiflung die Hände. »Ich bin ein ehrlicher Bewunderer seiner Musik.«
    Inzwischen wurde der zweite Gang, Rehrücken in Sahne mit Johannisbeergelee serviert, und ihre Unterhaltung verstummte. Nachdem Ursula nur ein paar Bissen davon gegessen hatte – ›Ich will auf gar keinen Fall so fett werden wie Wilhelmine‹, dachte sie bei sich, ›also wehret den Anfängen‹ –, nahm sie das Gespräch wieder auf. »Warum machen wir nicht ab und zu gemeinsam Musik? Philine spielt vorzüglich Violine, ich ganz leidlich Klavier. Wir könnten mehrstimmig spielen …«
    »Ja, und unsere Männer schicken wir in den Wald«, fiel Philine ihr ins Wort, »dann stören sie zumindest nicht …« Sie stockte und fuhr mit gespielter Trauer fort: »Aber oft werden wir das Vergnügen nicht haben, liebste Ursula. Der gute Ferdinand befindet sich ja nur auf der Durchreise.«
    Missbilligend hörte Wilhelmine das Geplänkel der drei mit an, und ihr Groll auf Elvira wuchs von Minute zu Minute. Ihre beiden Tischherren langweilten sie zu Tode, obwohl der Hofrat sich äußerst um sie bemühte. Was er auch anstellte, nichts schien Wilhelmine zu interessieren, und mehr als ein »Ach, was Sie nicht sagen« oder »So, so, das ist ja sehr interessant«, konnte er ihr nicht entlocken. Nicht einmal das erstklassige Essen konnte sie genießen. Ihr Mieder drückte auf den Magen, sie bekam kaum noch Luft, und der Schweiß stand ihr bereits auf der Stirn. Schon den zweiten Gang, das köstliche Wild, konnte sie kaum aufessen, und die Schleie ließ sie sich gar nicht erst servieren. Als das Dessert, Eisbombe und Mokkacreme, beides ihre Leibspeise, serviert wurde, war ihre Laune auf dem Nullpunkt angekommen. »Ein ganz kleines Häppchen wird doch noch gehen«, versuchte der Hofrat sie zu überreden, aber Wilhelmine winkte nur müde ab. »Ach nein, lieber Herr Hofrat. Mir ist heute nicht so recht wohl.« Sie war erleichtert, als Elvira kurz darauf die Tafel aufhob.
    Es war ein warmer Abend, und die hohen Fenster der Salons waren weit geöffnet. Wie üblich strebten die Herren sogleich der Bibliothek zu, um dort ihre Zigarren zu rauchen, über Politik zu reden und die obligatorischen Verdauungsschnäpse zu trinken. Antonia von Saalfeld, die Frau des Hofrats, hatte den ganzen Abend amüsiert seine vergeblichen Bemühungen beobachtet, Wilhelmine zu unterhalten. Auf dem Weg zur Bibliothek hakte sie sich bei ihrem Mann unter. »Na, mein Alterchen, da hast du dir heute an der guten Wilhelmine ja ganz schön die Zähne ausgebissen.«
    »Ja, ja, es war schon etwas mühsam mit ihr. Was hat sie denn bloß?« Er strich sich etwas ratlos über seinen Spitzbart.
    »Ich stelle ja keine großen Anforderungen an dein Begriffsvermögen, lieber Fridolin«, sagte Antonia kopfschüttelnd, »aber dass Wilhelmine nur Augen für Ferdinand hatte, sah doch ein Blinder mit ’nem Krückstock! Das hättest sogar du merken müssen.«
    »So, meinst du? Na ja, dann werd ich mich mal zu den Herren gesellen. Wir sehen uns dann später.«
    Wilhelmine war in die Halle

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