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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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die Diener die Lampen an. Eberhard war jetzt öfter zuhause. Die Arbeit, die auf den Gütern getan werden musste, erledigten die Gutsinspektoren. Man vertrieb sich die Zeit mit Lesen, Kartenspielen und Musizieren. Jesko und Elvira machten Reisepläne. Jesko tendierte zu Madeira, doch Elvira wollte lieber nach Malta.
    »Auf Madeira war ich doch schon, und es ist dort wirklich wunderschön. Aber Louise, du weißt, ich traf sie kürzlich in Insterburg, reist im Frühjahr wieder nach Malta. Sie sagt, es ist da um diese Jahreszeit traumhaft. Sie wird auch dort sein und kennt viele Leute. Wir hätten sicher viel Spaß.«
    Irgendwann gab Jesko auf. »Na gut, dann eben Malta. Lass dir gelegentlich von Louise die Adresse des Hotels geben. Ich kümmere mich dann um die Reservation.«
    Hin und wieder kündigte das leise Klingeln eines Schlittens Besuch an. Jede Abwechslung war in diesen Tagen willkommen. Die Gäste wurden freudig begrüßt und bewirtet, blieben aber meist nicht länger als ein paar Tage. Jeder hatte in der Vorweihnachtszeit einiges zu tun.
    Elvira und Aglaia fuhren diese Woche bereits zum zweiten Mal nach Insterburg, um Weihnachtseinkäufe zu machen. Frau Koller hatte wie jedes Jahr die bescheidenen Wünsche der Dienerschaft auf einem Zettel notiert: eine Mütze, Handschuhe, einen Schal. Beim ersten Mal hatten sie nicht alles bekommen. Heute wollte Aglaia auch noch Spielsachen für die Basedow-Kinder kaufen und für Minchen einen Muff aus Kaninchenfell.
    »Findest du das nicht ein bisschen üppig?«, fragte Elvira sie erstaunt.
    »Ach, ich mag sie so gern, und als ich kürzlich bei ihr war, hat sie gesagt, dass sie so was Schönes bestimmt in ihrem ganzen Leben nicht besitzen würde.«
    »Du bist wirklich lieb«, Elvira streichelte zärtlich ihre Wange.
    Wie immer gingen sie zum Abschluss ihrer Einkäufe in die Konditorei am Marktplatz, um vor der Heimfahrt eine heiße Schokolade zu trinken. Es war voll besetzt, fast nur mit älteren Damen, die riesige Tortenstücke und Kännchen mit Kaffee oder Tee vor sich stehen hatten. Im hinteren Teil entdeckten sie Ursula von Eyersfeld, die ihnen aufgeregt winkte, damit sie sich zu ihr setzten.
    »Mir schwirrt der Schädel«, sagte sie. »Jedes Jahr das Gleiche. Immer habe ich Angst, dass ich jemanden vergesse oder etwas Falsches kaufe. Am liebsten würde ich das ja die Hausdame machen lassen. Aber Fritz besteht darauf, dass ich die Geschenke selbst besorge.« Sie redete sich in Rage. »Und dann immer diese Listen, mit denen ich nichts anfangen kann! Da steht dann ein warmes Hemd für Karl-Heinz – woher soll ich denn wissen, was Karl-Heinz für eine Größe hat?«
    Elvira musste lachen. »Du wirst es schon überleben, liebste Freundin. Aber erzähl mal, warst du in der letzten Zeit in Königsberg, gibt es Neuigkeiten, und hast du Wilhelmine gesehen? Geht es ihr gut?«
    »Ja, ich sah sie kürzlich bei den Dhonas. Sie ist ständig überbeschäftigt, lässt keine Einladung aus. Ich glaube nicht, dass sie sich langweilt. Wann habt ihr sie denn zum letzten Mal gesehen?«
    »Das ist schon eine Weile her.« Elvira überlegte.
    »Es war vor Mamas Kur«, sagte nun Aglaia leise. »Sie hat mir kürzlich geschrieben, dass sie sehr beschäftigt sei …«
    »… und wir sie doch bald mal in Königsberg besuchen sollen«, vollendete Elvira den Satz.
    »Und warum kommt sie denn nicht einmal nach Birkenau?«, fragte Ursula. Sie wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit ihrer Freundin. Beide hatten überhaupt kein Verständnis für Wilhelmines Verhalten. Ihre einzige Tochter war schwanger, und sie kümmerte sich überhaupt nicht um sie.
    »Du sagst doch auch, dass sie überbeschäftigt ist«, meinte Aglaia. »Es wird ihr wohl zu lästig sein.«
    »Ihr seid doch Weihnachten hoffentlich bei uns?«, fragte Elvira jetzt, um abzulenken. »Die Dühnkerns kommen auch, Clemens wird da sein und, stell dir vor, Ferdinand hat sich angesagt.«
    »Natürlich kommen wir. Mit dem größten Vergnügen.« Sie erhob sich. »Ich muss mich auf den Weg machen, die Pflicht ruft. Dieses dumme Hemd für Karl-Heinz …« Sie rollte in komischer Verzweiflung die Augen und verließ, mit unzähligen Tüten bepackt, die Konditorei.
    »Ich muss noch einmal nach Königsberg«, sagte Elvira, als sie in der Dämmerung nach Hause fuhren. »Ich hoffe, du begleitest mich. Wir könnten deiner Mutter einen Besuch abstatten, dann ist der Pflicht Genüge getan.« Sie wusste, dass Aglaia nicht der Sinn danach stand, ihre

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