Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)
findest du irgendwann die passende Frau, damit du so glücklich wirst wie Eberhard und ich.«
Ein trauriges Lächeln erschien auf Clemens’ Gesicht. »Mal sehen, was die Zukunft bringt«, sagte er. Aglaia ahnte nicht, wie es in ihm aussah.
Tagelang hatten wildes Schneetreiben und ein eisiger Ostwind es Aglaia unmöglich gemacht, das Haus zu verlassen. Aber heute, es war der letzte Tag der Jagd, war kein Wölkchen am stahlblauen Himmel zu sehen, und die strahlende Sonne ließ den frischen Schnee glitzern wie Millionen winzige Diamanten.
Elvira saß im Frühstückszimmer und las die Hartungsche Zeitung . Sie wusste, Aglaia würde frühestens in einer Stunde erscheinen, als Ursula von Eyersberg hereinkam. »Nanu«, erstaunt ließ Elvira die Zeitung sinken, »ich dachte, du bist schon seit aller Herrgottsfrühe auf der Jagd.«
Ursula hielt sich einen Eisbeutel an die Stirn. »Ich habe gestern Abend wohl ein wenig zu viel Champagner erwischt und bin nicht aus den Federn gekommen.« Sie machte ein leidendes Gesicht. »Und zu allem Überfluss hat Fritz geschnarcht wie eine Dampflock … nur einen Mokka, Willi, bitte.« Sie winkte ab, als der Diener ihr einen Teller mit Spiegeleiern servieren wollte, und stöhnte. »Mir platzt der Schädel, wenn ich nur an das Knallen der Büchsen denke.«
In diesem Moment betrat Philine von Dühnkern das Zimmer.
»Seit wann bist du denn da?«, rief Elvira und ging ihrer Freundin entgegen, um sie zu begrüßen.
»Wir sind heute in aller Frühe mit Horst aus Wallerstein herübergekommen. Horst und Friedrich haben es gerade noch geschafft, auf den letzten Wagen aufzuspringen, und ich hab mich noch eine Weile hingelegt. Gestern war die letzte Jagd auf Wallerstein, und ihr wisst ja, wie so etwas endet … bis in die Morgenstunden!« Sie sah ihre Freundin Ursula an. »Was ist denn mit dir passiert? Du siehst ja schrecklich aus!«
»Zu viel Champagner«, stöhnte die. »Ich werde dem Alkohol abschwören, für immer!«
Philine lachte. »Wie ich dich kenne, hast du das bis heute Abend wieder vergessen. Übrigens, Wilhelmine war tatsächlich nicht auf Wallerstein, die ganze Jagdsaison nicht. Wisst ihr, was da los ist? Angeblich soll sie in Badenweiler zur Kur sein, ist das nicht merkwürdig?«
»Ich fasse es nicht«, rief Ursula. »Sie ist also wirklich gefahren. Sie hat es uns vor ein paar Wochen in Königsberg erzählt.« Ihre Lebensgeister schienen ob der spannenden Neuigkeiten schlagartig zurückzukehren. »Aber ehrlich gesagt, habe ich das nicht ernst genommen.«
Philine sah jetzt Elvira an. »Weißt du da etwas Genaueres? Aus Horst war nichts herauszukriegen.«
»Nein«, log Elvira. »Ich weiß auch nur, dass sie zur Kur gefahren ist. Es wäre auch besser, wenn ihr das Thema nicht anschneidet, wenn Aglaia kommt. Sie ist im Moment ein wenig sensibel, was ihre Mutter angeht.«
Ursula und Philine tauschten einen Blick, der sagte: ›Schade, Elvira will nicht reden. Dann müssen wir halt andere Quellen anzapfen.‹ Man wechselte das Thema. Schließlich hatte man sich eine Weile nicht gesehen, und es gab genug zu erzählen.
»Ist eigentlich Ferdinand da, Elvira? Er wollte doch zur Jagdsaison zurück sein«, fragte Philine.
»Nein, er hat geschrieben, dass er dieses Jahr mal in Afrika jagt, Elefanten oder Tiger … keine Ahnung. Ich finde ja, er ist ein bisschen meschugge.«
»Schade«, meinte Philine bedauernd, »ich hatte so sehr gehofft, dass er uns die schrecklichen langen Wintertage mit seiner amüsanten Gegenwart versüßt.« Sie bat Willi, ihr noch einen Kaffee einzugießen. »War von euch schon einer in dem neuen Salon von der Klühspieß?«, fragte sie nun. »Sie nennt sich jetzt übrigens Couturière !«
Beide Damen schüttelten die Köpfe, und Ursula sagte spöttisch »Couturière … dass ich nicht lache!«
»Der Salon ist prachtvoll. Es ist mir schleierhaft, woher die so viel Geld hat.«
»Nun, billig war sie ja nie. Allein Wilhelmine hat Unsummen bei ihr ausgegeben«, meinte Elvira.
»Das stimmt«, bemerkte Ursula. »Also ich weiß nicht, was Wilhelmine an der findet. Sie hat die ja fast gesellschaftsfähig gemacht. Ständig sitzt sie bei ihr am Kaffeetisch.« Das betonte ›die‹ drückte ihre ganze Verachtung für die Schneiderin aus. Sie konnte nicht vergessen, dass das Getratsche der Klühspieß über sie und Mathias Goelder beinahe einen Skandal ausgelöst hätte.
»Also an meinen Tisch kommt die nicht!«, stimmte Philine zu, und Ursula zog indigniert die
Weitere Kostenlose Bücher