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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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…«
    »Wenn du vorhast, mich auszuhorchen, dann solltest du lieber gehen.«
    Vom Tonfall ihrer Schwester getroffen, verstummte Clarice. »Hast du einen Arzt aufgesucht?«, erkundigte sie sich, als das Schweigen unerträglich wurde.
    »Natürlich. Aber es war Zeitverschwendung.« Eunice nippte an ihrem Tee. »Er kann nicht viel tun«, sagte sie nur. »Wie es aussieht, habe ich eine Art schleichende Lähmung, für die es kein Heilmittel gibt.« In ihrem Blick lag kein Selbstmitleid, als sie Clarice anschaute. »Ich habe gute und schlechte Tage, aber wenigstens bin ich nicht bettlägerig – noch nicht.«
    »Oh, du Liebe«, seufzte Clarice und begriff schließlich, warum Eunice sie gebeten hatte, zu kommen. »Ich wünschte, du hättest es mir früher gesagt, dann hätte ich dir vielleicht einen Arzt aus Sydney schicken können.«
    »Warum soll man Geld verschwenden, wenn es keinen Sinn hat?«
    »Es muss doch Spezialisten in England geben. Lass mich doch eine Überfahrt buchen. Wir könnten das Haus unserer Familie in Sussex wiedereröffnen und …«
    »Nein«, sagte Eunice barsch.
    »Warum denn nicht?«
    Eunice hielt ihrem Blick eine Weile schweigend stand und seufzte dann. »Dafür gibt es eine Menge Gründe, Clarice. Finde dich mit dem Hinweis ab, dass ich hier Verantwortung habe, die ich nicht ablegen kann.«
    Clarice runzelte die Stirn und wollte schon weitere Fragen stellen, als aus der Diele eine fröhliche Stimme ertönte.
    »Huhu, ich bin’s nur.« Die junge Frau kam in die Küche und brachte frische Luft mit herein. Ihre Kleidung war ordentlich, doch ihre Haare lösten sich in dunklen Strähnen aus den Nadeln und rahmten ihr aufgewecktes, hübsches Gesicht. Sie hatte ein etwa einjähriges Kind auf der Hüfte, das Eunice ernst anschaute, bevor es schüchtern das Gesicht an der Schulter der Frau barg.
    »Das ist Primrose«, sagte Eunice, und ihre Miene hellte sich auf, »aber ihr ist es lieber, wenn wir sie Primmy nennen.«
    »Schön, Sie kennenzulernen, ganz gewiss.« Primmy machte einen Knicks.
    Eunice streckte die Arme aus, nahm das Kind auf den Schoß und küsste die goldenen Löckchen, bevor sie ihm einen Keks gab.
    »Ich kann nicht bleiben, Mrs. Bartholomew, mein Alter kommt gleich nach Hause, und ich hab seinen Tee noch nicht mal aufgesetzt. Brauchen Sie noch was, bevor ich gehe?«
    »Nein, danke. Wir sehen uns morgen um dieselbe Zeit.«
    Primmy nickte, eilte durch die Diele und schlug die Haustür hinter sich zu.
    Clarice erhob sich alarmiert. »Da hat sie doch vor lauter Eile ihr Kind vergessen.«
    »Es ist nicht ihr Kind«, sagte Clarice und fuhr zärtlich mit den Fingern durch die hellblonden Locken. »Lorelei ist meine Enkelin.«
    Clarice plumpste auf den Stuhl, bemerkte Eunice’ trotzigen Blick und war bemüht, ihren Schreck zu verbergen. »Gwen ist verheiratet?«
    Eunice gab der Kleinen einen Kuss auf den Hals, die daraufhin kicherte. »Nein«, murmelte sie.
    Clarice taumelte unter dem Donnerschlag, den Eunice’ Nachricht ausgelöst hatte, und sie hatte zu kämpfen, um nach außen hin Ruhe zu wahren. Logischerweise hätte sie nicht so sprachlos sein sollen, denn Gerüchte über Gwens Benehmen hatten die Runde gemacht – die Folgen lagen auf der Hand, wenn man darüber nachdachte –, aber sie konnte die entsetzliche Schande, die Gwen über ihre Familie gebracht hatte, dennoch kaum verkraften. Sie betrachtete das Kind und schauderte. »Warum wurde sie nicht adoptiert?«
    »Lorelei war eine Frühgeburt, und ihr Herz war nicht richtig ausgebildet. Gwen wollte sie fortgeben, aber ich konnte sie nicht zu Fremden lassen – sie ist viel zu kostbar.«
    »Aber sie ist unehelich «, zischte Clarice.
    »Sie ist ein Kind.« Eunice’ Blick geriet keine Sekunde ins Wanken. »Die Zeit wird kommen, da sie sich den Dingen stellen muss – vorerst möchte ich nur, dass sie den besten Start ins Leben bekommt, den ich ihr ermöglichen kann.«
    »Bist du deshalb von Hobart hierhergezogen?« Clarice’ Stimme klang angespannt.
    Eunice nickte. »Gwen wollte anscheinend mit ihrem Zustand protzen und uns allen Probleme bereiten, und ich konnte das nicht hinnehmen. Ich dachte daher, wir könnten das Schlimmste verhindern, wenn wir hierherzögen.« Sie verstummte. »Das ist uns natürlich nicht gelungen«, murmelte sie. »Die Insel ist zu klein – aber wir konnten nirgendwo anders hin.«
    »Ihr hättet zu mir kommen können«, sagte Clarice.
    »Das wäre nicht klug gewesen.« Sie schenkte ihr ein trauriges Lächeln.

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