Himmel über Tasmanien
Hände? Sie sind kräftig, nachdem sie jahrelang Ton geformt haben, und könnten dir ohne weiteres den dünnen Hals umdrehen.« Sie schnippte mit den Fingern unter Gwens Nase.
Angst blitzte in Gwens Augen auf, und sie trat einen Schritt zurück. »Dafür wirst du zahlen«, lallte sie, »und noch mehr. Ich habe nicht vergessen, wie du mir mein Erbe gestohlen hast – und meine Mutter.«
Lulu drehte Gwen den Rücken zu und setzte sich ruhig wieder hin. »Du solltest gehen, solange du noch stehen kannst«, sagte sie kalt. »Das Bierzelt ist da drüben.«
»Oh, ich bin noch nicht fertig«, knurrte sie. Gwen schüttelte die warnende Hand ihres Begleiters ab, schwankte und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Peter. »Dein Vater schuldet mir das Geld für zwei Jahre«, blaffte sie.
»Er schuldet Ihnen gar nichts.«
»Doch«, schrie sie, »und wenn ich mein Geld nicht bekomme, werde ich dafür sorgen, dass alle Welt erfährt, was für ein Schweinehund er wirklich ist.«
Der Mann in dem grässlichen Karoanzug packte ihren Arm. »Das reicht jetzt, Gwen. Wir gehen.«
Sie holte mit der Faust aus, verpasste nur knapp sein Kinn und geriet ins Straucheln. »Ich bin noch nicht fertig«, keifte sie. »Ich will mein Geld.«
Sein puterrotes Gesicht biss sich mit dem Anzug und der grellen Krawatte. »Höchste Zeit, dass du wieder nüchtern wirst.« Er packte sie noch fester und zog sie mit sich fort.
»Verdammt«, hauchte Eliza in die eintretende Stille hinein, »ist das wirklich deine Mutter ?«
»Leider«, erwiderte Lulu kalt, »aber ich brüste mich nicht damit.«
Sie schob sich an der glotzenden Eliza vorbei und beobachtete, wie Gwens Begleiter ihre Mutter Richtung Parkplatz zerrte. Gwen setzte sich dabei die ganze Zeit zur Wehr und schrie Obszönitäten, während er sie durch die gaffende Menge schob. Ihre erregten Stimmen waren laut und deutlich zu hören, und die Umstehenden kicherten und lachten, als er sie in den Wagen bugsierte, die Tür zuschlug und mit hoher Geschwindigkeit abfuhr.
»Ich glaube, jetzt brauchen wir alle ein Glas Champagner«, verkündete Dolly, »und der geht auf mich. So viel Unterhaltung an einem Tag hatte ich seit Jahren nicht mehr.«
Eliza hakte sich bei Dolly unter. »Das ist eine tolle Idee«, erwiderte sie und schaute zu Joe auf. »Kommst du auch mit?«
Er warf Lulu einen Blick zu. »Ich muss einen klaren Kopf behalten«, murmelte er, »ein weiteres Rennen steht bevor, und es sind auch noch einige Besitzer zu beschwichtigen.«
Eliza schmollte kokett und klimperte mit den Wimpern. »Ich hebe ein Glas für dich auf«, sagte sie, »also beeil dich.«
»Was ist mit dir, Lulu?« Dolly befreite ihren Arm sanft aus Elizas Griff und streckte ihre Hand nach ihrer Freundin aus.
»Champagner und Tabletten vertragen sich nicht so gut«, sagte sie mit dankbarem Lächeln. »Geht ruhig. Peter und ich müssen miteinander reden.«
Dolly nickte verständnisvoll und nahm Eliza mit. Als alle gegangen waren, selbst der zögernde Joe, wandte Lulu sich an Peter. »Komm, wir gehen hinunter an den Fluss«, schlug sie vor. »Da ist es vielleicht ein bisschen kühler.«
Sie schlenderten an den Derwent, fanden eine Bank unter einem Baum und setzten sich. Lulu schaute auf das glitzernde Wasser und versuchte, alles, was sie heute erfahren hatte, einigermaßen zu ordnen. Sie war erschöpft, aber in Hochstimmung, verwirrt und höchst bezaubert von dem Gedanken, endlich ihren Vater zu kennen.
»Beinahe mein Leben lang habe ich versucht mir vorzustellen, wie mein Vater ist. Als ich klein war, war er ein Prinz auf einem weißen Pferd.« Bei dem Gedanken musste sie grinsen. »Aber als ich älter wurde, bekam er realistischere Züge. Erzähl mir von ihm, Peter.«
»Sein Name ist Franklin John White – alle nennen ihn Frank. Er wurde vor fünfundsechzig Jahren nicht weit von hier geboren, auf einer kleinen Viehfarm in Collinsvale. Die Familie war damals nicht reich, sie kamen gerade so über die Runden. Dads Schwester Sybilla heiratete einen Mann aus Brisbane und zog auf das Festland. Mum und Dad übernahmen das Anwesen, als es seinen Eltern zu viel wurde. Dad war immer ehrgeizig, und als seine Eltern sich in ein Häuschen am Meer in Snug zurückzogen, folgte er seiner Schwester nach Queensland und steckte sein gesamtes Geld in einen Besitz bei Augathella.«
»Wo um alles in der Welt ist das denn?«
Er lächelte. »Es ist eine winzige Ansiedlung in einem Gebiet, das die Aborigines Never-Never-Land nennen.«
»Das
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