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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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Augenschein. Was für ein elendes Loch! Das zerfetzte Kopfkissen, das
zerwühlte Bett, die verstreuten Federn, die fallen gelassenen Kleiderhäufchen.
Ich riss das Fenster auf, um den sauren Gestank von Restalkohol und was sich
sonst noch an fauligem Mief angesammelt hatte, zu vertreiben. Ich stopfte das
zerrissene Kopfkissen in einen Müllbeutel und bezog mein Bett neu. Ich holte
den Staubsauger aus der Besenkammer und ließ die Federn und anderen Dreck darin
verschwinden. Ich stellte mich unter die Dusche und schlüpfte danach in Hose,
Hemd und bequeme Schuhe. Adela kochte mir Tee, hielt den Mund und tätschelte
meine Hand. Das tat gut, aber ich merkte, dass ich es in der Wohnung nicht
aushielt. Ich brauchte Bewegung und musste allein sein.
    Den freien Blick
auf Rhein und Grün musste man sich in Deutz erlaufen. Es dauerte, bis man die
engen Straßen und die grauen Betonfluchten hinter sich lassen konnte und das
Flussufer erreichte. Diesmal wählte ich nicht den Weg in den Rheinpark, den
Adela und ich für unser Sportprogramm nutzten, sondern spazierte am großen
Rummelplatz vorbei über die kleine Drehbrücke hinweg gen Süden. Hinter dem
Deutzer Hafen endete auf dieser Rheinseite die Bebauung unmittelbar am
Flussufer, die Stadt franste in den satten Poller Wiesen aus, wo auf Anhieb
eine andere Luft herrschte. Frischer und windiger, eine Luft zum
Drachen-steigen-Lassen und zum Durchatmen. Sofort wurde der Himmel blauer,
sofort strahlte die Sonne schöner. Möwen schwebten über dem Wasser, und in den
Bäumen lärmte ein Trupp grüner Papageien, die es neuerdings in der Stadt zuhauf
gab. Ich atmete tief ein und aus, immer wieder tief ein und aus. Chidamber mit
seinem Massage-Gedöns hätte seine helle Freude an mir gehabt.
    Auf der anderen
Flussseite glänzte Kölns aktuelles architektonisches Renommierprojekt, der neu
gestaltete Rheinauhafen. Das Kap am Südkai, das edel sanierte Siebengebirge,
das Rheinkontor, die drei prächtigen Kranhäuser. Nirgendwo konnte man zurzeit
so exklusiv und so teuer wohnen wie im Rheinauhafen. Allerdings machten schon
Klagen der betuchten Bewohner die Runde. Man fühlte sich durch den Lärm der
Schiffsmotoren gestört. Die Leute hatten wohl beim Kauf der teuren Immobilien
nicht bedacht, dass diese an einer der meist befahrenen europäischen
Wasserstraße lagen.
    Bei den
Kranhäusern fiel mir Bause ein, der in dem mittleren seine Büros hatte. Aber
ich hielt den Gedanken nicht fest. Ich überließ ihn dem Strom in meinem Kopf,
der ihn weiterschwemmte, andere Gedanken in den Vordergrund spülte. Keinen
pickte ich heraus, ich wollte mich nicht schon wieder in einem Labyrinth von
Fragen verirren, die ich nicht beantworten konnte. Ich konzentrierte mich auf
einen sicheren Tritt und festen Boden unter den Füßen und fühlte mich wie eine
Rekonvaleszente nach einer schweren Operation bei ihrem ersten Spaziergang an
der frischen Luft.
    Eine Stunde später
stieg ich wieder die Treppen zu unserer Wohnung hoch. Als ich die Wohnungstür
aufschloss, stellten sich Zweifel ein. War ich zu früh aus meiner Höhle
gekrochen? Würde ich nicht sofort wieder anfangen zu heulen, wenn ich mit Adela
oder Kuno redete? Es half nichts, ich musste es einfach ausprobieren.
    Adela, die den
Schlüssel gehört hatte, steckte den Kopf aus dem Wohnzimmer. Sie musterte mich
von Kopf bis Fuß, bevor sie einen Seufzer der Erleichterung ausstieß und auf
mich zukam.
    »Er müsste einen
Orden kriegen«, murmelte ich. »Bestimmt hat Keith Jarrett nicht nur uns beiden
mit dieser Musik das Leben gerettet.«
    Adela lachte und
wiegte den Kopf hin und her, so als ob sie fand, dass »Lebensretter« ein
bisschen zu hoch gegriffen war. Dann nahm sie meine Hand, tätschelte sie mal
wieder und deutete dabei mit dem Kopf in Richtung Küche: »Da ist Besuch für
dich.« Meinen alarmierten Blick quittierte sie mit einem weiteren Tätscheln.
»Keine Angst«, beruhigte sie mich. »Es ist Arîn. Außerdem habe ich frischen
Kaffee gekocht.«
    Wenig später saß
ich mit einer Tasse Kaffee an unserem Küchentisch, und Arîn türmte
Plastikdöschen und mit Alufolie umhüllte Päckchen vor mir auf.
    »Dolma von meiner
Mutter. Die hast du doch so gern gegessen, als du letztes Mal bei uns warst.
Gefüllte Zwiebeln, gefüllte Auberginen, gefüllter Kohl, alles unter einer
Schicht frischer Weinblätter gegart«, zählte Arîn auf. »Und dann habe ich dir
auf der Keupstraße noch die besten Acma gekauft. Du weißt schon, diese

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