Himmel un Ääd (German Edition)
befreite
ich mich aus seiner Umarmung, sammelte meine Kleider ein und zog mich an. Leise
schloss ich die Tür und ging.
Mein Weg nach
Hause führte an der »Weißen Lilie« vorbei. Der Nachtwind spielte unbefangen in
den Glyzinien am Eingang, ansonsten wirkte das Haus dunkel und abweisend. Ich
war mir sicher, dass sich die Monokelkobra darin quietschlebendig zwischen den
Klebestreifen hindurchschlängelte und als neue Herrin des Hauses aufspielte.
Ich verfluchte das Mistviech und machte, dass ich weiterkam. Am Clevischen Ring
erwischte ich ein Taxi.
Als ich in unserem
Hausflur den Lichtschalter drückte und die Fotowand mit den Bildern aus glücklicheren
Zeiten vor mir aufleuchtete, kochte das ganze Elend wieder in mir hoch. Ich
drehte das Bild von Ecki und mir auf der Hohenzollernbrücke gegen die Wand und
ging Zähne putzen. In meinem Zimmer hing kein Geruch von frischem Heu, und den
hätte ich mir heute auch verbeten. Mir reichte es. Eine kleine Affäre hätte ich
Ecki vielleicht verzeihen können, aber einen Mord niemals.
Ich holte einen
Müllsack aus der Küche und stopfte Eckis Habseligkeiten hinein. Im Schrank und
in allen Schubladen waren die verteilt, wie bei einem Hund, der sein Revier
markiert. Dann nahm ich mir den Aluminiumkoffer vor. Der Koffer war sein
Allerheiligstes, der Tresor eines Heimatlosen; was darin lagerte, war ihm
wirklich wichtig. Ich hebelte ihn mit einer Feile auf und durchsuchte alles,
was Ecki darin gesammelt hatte. Ich kam mir ekelig vor, wie ich so unerlaubt
Papiere, Postkarten, Erinnerungsstücke ans Licht zerrte.
»Geheimnisse«,
hörte ich Ecki sagen, »darf ein jeder haben. Ein jeder hat ein Recht auf
Privatsphäre.«
»Selber schuld«,
kläffte ich den Koffer an und merkte doch nur, wie Selbstekel und Elend in alle
Poren drangen. Ich stopfte den Müllsack in den Koffer, klappte ihn wieder zu
und schob ihn in den Flur hinaus.
Ecki aus meinem
Zimmer zu vertreiben verschaffte mir nur für kurze Zeit Erleichterung. Dann
brannte das wunde Herz wieder so schmerzhaft, dass ich es mir am liebsten aus
dem Leib gerissen hätte. Stattdessen holte ich mir eine Flasche Borbler aus der
Küche und knockte mich mit einem Wasserglas davon für den Rest der Nacht aus.
NEUN
Bienen taumelten
summend zu Boden. Was für Bienen? Die von Rosa? Hatte ich ihnen den Honig
gestohlen und kein Zuckerwasser als Ersatz geboten? Wenn Rosa das merkte, würde
sie mich ausschimpfen. Rosa war streng und herrisch, die Bienen ihre Passion.
Nein, Rosa war tot, und ihre Bienen hatte ich zu Franz Trautwein an den
Kaiserstuhl gebracht, dämmerte mir, und ich schlug die Augen auf.
Das viele Weiß im
Zimmer tat weh, die Sonnenstrahlen taten weh, der Kopf tat weh, die Augenlider,
die Ohren, alles tat weh. Und dann mein Bauch. Himmel, war mir schlecht! Keiner
trank ungestraft ein Wasserglas Borbler, und schon gar nicht, wenn er nichts
als ein halbes Frühstück, jede Menge Kaffee und ein paar Bier im Magen hatte.
Dann meldete sich der Kopf wieder. Hinter meiner Stirn wurde mit Spitzhacken
gehämmert. Aber die summenden Bienen übertönten das Hämmern im Kopf. Ich
tastete das Bett ab, bis ich das Handy fand. Als ich die On-Taste drückte,
verstummten die Bienen.
»Hallo, Katharina,
hier ist Dany«, perlte die Stimme meines Exlehrlings aus dem »Goldenen Ochsen«
quellfrisch an mein Ohr. Wieso rief der so früh an? Der stand doch nie vor
Mittag auf, wenn er es nicht unbedingt musste. Ich grapschte mir meinen Wecker
vom Nachttisch und hielt ihn mir vor die Nase. Es war schon halb eins.
»Also, ich habe
noch mal mit Helen, meiner alten Chefin, über die ›All-inclusive‹-Kacke
geredet«, sprudelte es aus ihm heraus. »Helen ist davon überzeugt, dass die
generalstabsmäßig vorgehen. Schritt eins: Sie suchen sich ein geeignetes
Objekt. Zentrale Lage, gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, in
der gastronomischen Szene eingeführt. Pech, wenn genau da schon ein anderes
Restaurant ist. Pech für das Restaurant, nicht Pech für ›All-inclusive‹.
Schritt zwei: Das störende Restaurant wird in Augenschein genommen und nach
Schwachstellen abgeklopft. Schritt drei: Das störende Restaurant bekommt ein
lächerliches Kaufangebot, das mit einer Drohung verknüpft ist, es auf alle
Fälle zu vernichten. Natürlich nicht so deutlich gesagt, ein bisschen
verklausuliert, aber unmissverständlich. Schritt vier: Gäste beschweren sich
lautstark über das schlechte Essen. Schritt fünf: Die
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