Himmel un Ääd (German Edition)
die Box genuschelt, die
sich nach sehr viel Bier und Wodka anhörte.
»Hab immer 'dacht,
dass'd auch in den schlechten Zeiten zu mir stehst, Kathi. Willst mich wirklich
im Häfn sehn? Eing'sperrt mit all den Sacklpicker? Ich hab die Minka nicht
um'bracht.«
Selbst knietief in
der Scheiße steckend versuchte er noch, mir ein schlechtes Gewissen zu machen.
Aber die Zeiten waren vorbei.
Der letzte Anruf
war von meiner Mutter. Wie immer beschwerte sie sich, dass ich nie anrief, mich
nicht um die Familie kümmerte und den Geburtstag meines Vaters schon wieder
vergessen hatte. Sie klang jammerig und vorwurfsvoll und führte mir mal wieder
vor Augen, wie ich nie werden wollte. Um ihrem Einfluss zu entgehen, war ich
frühzeitig von zu Hause abgehauen und nie mehr zurückgekehrt. Hatte es was
genutzt? Zumindest in den letzten Tagen suhlte ich mich in einem Maße im
Selbstmitleid, wie selbst Martha dies selten tat. Kein Wunder also, dass Brandt
mir ein Kätzchen schenken wollte.
Ich legte das
Handy weg und wusste, dass die Zeit des Wundenleckens vorbei war. Ich musste
mein Leben in Ordnung bringen. Ordnung schaffen war das Erste, was man als
Köchin lernte. Mise en place . Sich alles zurechtlegen,
was man brauchte, damit beim Kochen kein Chaos ausbrach. Die Dinge aufteilen
und dann richtig zusammenfügen. Die Reihenfolge musste stimmen. Man musste
wissen, was fehlte. Nur dann konnte man improvisieren.
Na also! Ich nahm
mir zwei Blatt Papier. Auf das eine schrieb ich: »Weiße Lilie«, auf das andere:
»Ecki«. Angermann wegen der Schlange anrufen. Tommi Mombauer, der große
Unbekannte! Was wusste ich über ihn? Sohn von Hanna, Hanna tot. Wann und wo
gestorben?, kritzelte ich dahinter. Schlechtes Verhältnis zur Mutter,
rebellische, teilweise kriminelle Jugend, behauptete zumindest Sabine Mombauer.
Auf Formentera aufgewachsen, lebte jetzt in Köln. Wo? Im Immobiliengeschäft
tätig. Was machte er genau? Irmchen und Brandt nach ihm fragen. »Klären, ob der
Pachtvertrag gefunden wurde«, notierte ich auf dem ersten Blatt. Das war
einfach.
Das Ecki-Blatt war
schwieriger. Zuerst die Namen: Ecki, Minka, Eilert, Chidamber, Tomasz/Pfeifer,
Dirk und Betty Bause, die schwarze Witwe. Dann die Dinge: Eilerts Boot, Minkas
Schulheft und ihre Handtasche, der Einbruch in die »Weiße Lilie«, das Geld für
Chidamber, das »All-inclusive«, das »El Solare«. Als Nächstes verband ich die
Personen, die sich kannten, durch Striche miteinander, dann ordnete ich die
Dinge Personen zu, und schon hatte ich ein wirres Netz an Pfeilen auf dem
Papier. Mit Minka waren alle verbunden bis auf die schwarze Witwe. Ecki kannte
Minka, Tomasz, Eilert und Dirk Bause. Eilert Tomasz/Pfeifer, die schwarze
Witwe, die Bauses und Minka. Wie gut, das musste ich noch herausfinden.
Chidamber hatte neben Minka nur mit Betty Bause Kontakt. Tomasz/Pfeifer dagegen
mit Minka, Ecki, der schwarzen Witwe und Eilert. Die Bauses wiederum mit
Eilert, Minka, Ecki, und zumindest Betty kannte Chidamber. Das ergab eine Fülle
von Variationen, die ein Schachspieler mit Freude deklinieren würde, bei mir
brachten sie nur den Kopf zum Rauchen. Ich musste mich konzentrieren.
Mein Dreh- und
Angelpunkt war Ecki. Ecki hatte ein Motiv. Alles, was ich bisher über ihn und
Minka herausgefunden hatte, deutete darauf hin, dass er sie ermordet hatte. Die
Vorstellung machte mir Angst. Mein Bauchinhalt verhärtete sich und wurde schwer
wie ein Rumpelstein. Würde ich den Kontakt zu Ecki völlig abbrechen? Oder würde
ich zu seiner Verhandlung gehen? Ihn im Knast besuchen? Würde der Mann weiter
in meinem Leben herumspuken?
Diese Fragen
machten mich rammdösig, sie stichelten wieder ins wunde Herz. Es fehlte nicht
viel, und ich würde wieder in Selbstmitleid verfallen. Aber das konnte ich
nicht brauchen, ich brauchte Gewissheit. Denn das Unmögliche zu denken war
etwas anderes, als das Unmögliche zu erfahren. Im Zweifel für den Angeklagten,
fiel mir ein. Dass ich ihm den Mord zutraute, bewies noch nicht, dass er es
tatsächlich getan hatte. Also: War es nur eine flüchtige Liebschaft gewesen,
und wollte man ihm den Mord an Minka unterschieben, wie Ecki behauptete? Oder
hatte er ihr leichtsinnig, hormongesteuert oder liebesblind das Blaue vom
Himmel und den Umzug ins »El Solare« versprochen und war ausgerastet, als Minka
ihn auf seine Versprechungen festnageln wollte? So gnadenlos ausgerastet, dass
er sie getötet hatte?
Ich musste wissen,
was wirklich geschehen war. Nicht nur wegen
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