Himmel un Ääd (German Edition)
eine weiß gepunktete
Bluse und eine rote Kette aufgelockert. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet.
Ich folgte ihm bis ins Bergische Land, dessen sanfte, frischgrüne Hügel bei dem
schönen Wetter und aus dieser Höhe gut zu sehen waren.
»Frau Maibach?«
Sie drehte sich
um, und zum ersten Mal, seit ich sie kannte, gab ein überraschtes Lächeln ihrem
Gesicht weiche Züge.
»Katharina
Schweitzer! Wenn ich gewusst hätte, dass Sie Danys Katharina sind, hätte ich
Sie im ›All-inclusive‹ nicht so abblitzen lassen. Ich bin Helen und als
Kollegin und Dany-Freundin für das praktische Du.« Sie deutete auf den Platz
ihr gegenüber, und ich setzte mich.
Ihre spontane
Herzlichkeit wunderte mich nicht weniger als dieser Ort. Der Weinsalon war in
einer klaren, modernen Strenge gehalten. Weiße Sessel, weiße Lederstühle,
Tische aus dunklem Holz. Ein in den Raum hineingebauter Kubus mit rechteckigen
Aushöhlungen diente als Weinregal. Obwohl edel und teuer, hielt sich die
Einrichtung bescheiden im Hintergrund, denn der Star des Raumes waren, wenn man
das so sagen durfte, die breite Fensterfront und der Blick, der sich einem bot.
Köln-Panorama vom Feinsten. Ich verstand nicht, warum wir uns ausgerechnet hier
treffen mussten.
»Ungewöhnlicher
Ort, nicht wahr?«, fragte Helen, als hätte sie meine Gedanken erraten. »Ich
kenne den Betreiber. Osman hat mal ein Jahr in meiner Brigade im ›Himmel auf
Erden‹ gearbeitet. Als er bei mir anfing, konnte er Mangold nicht von Spinat
unterscheiden. Und jetzt ist er auf der Überholspur an mir vorbeigezogen und
lässt über den Dächern der Stadt kochen. Weil er gehört hat, dass ich mein
Lokal verloren habe, bietet er mir an, als Chefköchin eine Schicht hier im
Restaurant zu übernehmen.«
»Ach?«, wunderte
ich mich. »Dany hat mir erzählt, dass du dich mit Guerilla-Kochen selbstständig
machen willst.«
»Kann ich mir
vorstellen, dass Dany davon erzählt hat«, lachte sie. »Die Idee stammt von
Lucie, Luzia Saalfeld, der das ›Pfeffer & Salz‹ in der Südstadt gehörte,
das Eilert auch plattgemacht hat. Lucie hat ihre teuren Küchengeräte gerettet
und sich daraus eine mobile Küche bauen lassen. Die ist nicht nur mobil,
sondern auch flexibel. Damit kannst du überall professionell kochen. Lucies
Idee ist, sich mit diesem Teil und einem Köche-Pool selbstständig zu machen. Um
Geld zu verdienen, schweben ihr ein paar Messe-Events im Jahr vor, ansonsten
begeistert sie sich für allerlei: Essen an ungewöhnlichen Orten, gewagte Menüs
für experimentierfreudige Esser, Soul Food für Ausgebrannte, aphrodisische
Menüs für Verliebte und welche, die sich wieder verlieben wollen, Schrebergartenfeste
und so weiter. Die Vorteile liegen auf der Hand: keine durchlaufenden Miet- und
Personalkosten, projektbezogenes Arbeiten. Aber –«
»Da ist das
Angebot von Osman doch ein bisschen handfester«, folgerte ich.
»Natürlich!«,
bestätigte sie. »Zudem eine Geste, die ich zu schätzen weiß. Gerade habe ich
mir den Arbeitsplatz angesehen und mir von Osman erzählen lassen, was hier zu
tun ist. Kleine bis große Events, alles nur mit Vorbestellungen. Das ist für
die Küche gut zu kalkulieren. Geregelte Arbeitszeiten, bezahlte Überstunden.«
»Klingt nicht
schlecht«, meinte ich. »Lässt Zeit für Yogakurse, Privatleben und so.«
Sie lachte ein
sattes, kräftiges, aus dem Bauch kommendes Lachen. »Würdest du hier arbeiten?«
»Man weiß nicht,
was man in der Not für Jobs annehmen muss. Freiwillig eher nicht.«
»Und wieso?«
»Mir würde die
Bodenhaftung fehlen.«
Wieder lachte sie.
»Osman hat mich vorhin herumgeführt. Er hat mir das Buffet gezeigt, das heute
für den Brunch der Firma › E & M Consulting‹
aufgebaut ist. Die haben zwei Etagen tiefer ein wichtiges Meeting, eine
Konferenz oder was weiß ich! Feinstes Food, beste Zutaten
orientalisch-mediterraner Kochlinie. Könnte ich mich mit anfreunden. Aber dann
habe ich mir die Gäste angeguckt. Weiße Kragen, schmale Schlipse, in den Augen
diese Mischung aus Gier und Angst. Kennst du diesen Typ?«
Ich nickte. Wer
kannte diesen Typ nicht? In der Blüte des Raubtierkapitalismus gab es ihn
zuhauf.
»Um den Hals die
unvermeidliche eingeschweißte Teilnehmerkarte, damit man Namen und Stellung
seines Gegenübers direkt zuordnen kann«, fuhr Helen fort. »Fast nur Männer, die
meisten in den Dreißigern. Die Karriereleiter haben die so fest im Blick wie
ihre Konkurrenten. Für die ist die Welt ein Haifischbecken.
Weitere Kostenlose Bücher