Himmel un Ääd (German Edition)
tänzelte
herum.
Seinen Schal mit
dem auffällig bunten Blumenmuster erkannte ich wieder. Auf dem Bause-Fest hatte
er auch so einen Hawaiischal getragen, damals jedoch nicht wie jetzt auf einem
weißen, sondern auf einem dunklen Leinenanzug.
Ich schätzte ihn
auf Mitte fünfzig, er konnte aber auch sechzig sein. Das Alter war bisher
pfleglich mit ihm umgegangen: kein Doppelkinn, kein Hängebauch, keine Glatze,
stattdessen sah ich auf einen drahtigen grauen Einstein-Lockenkopf und in
allerweltsblaue Augen.
»Arbeiten Sie hier
in diesem Restaurant?«, fragte er mit einem Lächeln, das an Erfolg gewöhnt war.
Als ich nickte,
kam er auf mich zu. Ich konnte ihn mir gut am Meer oder in einem Segelboot
vorstellen. Auf dem Bause-Fest hatte ich ihn umringt von den Fünfzig-plus-Damen
gesehen. Bestimmt hatten diese ein so gut erhaltenes Männerexemplar zu schätzen
gewusst.
»Ich suche Minka
Nowak. Sie arbeitet doch hier, oder? Wissen Sie, ich war mit ihr am Wiener
Platz verabredet, und als sie nicht kam, dachte ich, dass sie vielleicht schon
arbeiten ist.«
Er lächelte
charmant. Ob er damit auch eine so junge Frau wie Minka begeistert hatte? Was
er wohl von ihr wollte?
»Sie fängt immer
erst gegen acht an. Kann ich ihr etwas ausrichten?«
»Sagen Sie ihr
einfach, dass ich hier war und sie unbedingt sprechen muss.«
»Und wer will sie
sprechen?«
»Oh, pardon. Hier
ist meine Karte.«
Mit der Karte in
der Hand sah ich ihm nach, wie er in Richtung Clevischer Ring eilte. Wobei
»eilte« das falsche Wort war, er schwebte fast. Man konnte glatt glauben, dass
seine Füße den Boden nicht berührten.
»Was war das denn
für einer?«
Ich hatte Arîn
nicht kommen hören. Mit gerunzelter Stirn blickte sie mit mir gemeinsam dem
Mann nach.
»Keanu Chidamber«,
las ich von der Karte ab. »Meister in Lomi-Lomi- und Hot-Stone-Massage. Er
wollte Minka sprechen.«
»Ist er
verheiratet?«
Ein Blick, und ich
wusste, dass Arîn die Frage tatsächlich ernst meinte.
»Hab ich nicht
drauf geachtet. Ist bei Männern in seinem Alter aber anzunehmen.«
»Das ist bestimmt
der Dreckskerl, der ihr das Herz gebrochen hat!«
»Wem hat er das
Herz gebrochen?«
»Minka. Gestern
hat der Schlappschwanz mit ihr Schluss gemacht. ›Ich kann meine Frau doch nicht
verlassen …‹ Das übliche Blablabla. Nachdem er ihr vorher das Blaue vom
Himmel versprochen hat. Weggehen wollt er mit ihr, nach Spanien. Ganz große
Liebe, hat Minka gesagt, aber dann hat er kalte Füße gekriegt. Deshalb ist sie
doch gestern nicht zu Arbeit gekommen. Die konnte gar nicht mehr aufhören zu
heulen, aus purer Verzweiflung hat sie gekotzt wie ein Reiher. – Was hat er von
Minka gewollt?« Unwirsch deutete sie mit dem Kopf in Richtung Zebrastreifen, wo
der Mann in Weiß auf Grün wartete.
»Er hat gesagt,
dass er mit ihr verabredet war und sie nicht gekommen ist, er sie aber dringend
sprechen muss.«
»Will auf
Schönwetter machen, der Hosenscheißer. Aber Typen wie der bleiben
Wackelkandidaten. Ich kann nur hoffen, dass Minka das kapiert und nicht wieder
was mit ihm anfängt.« Arîn fischte ihr Handy aus der Tasche und wählte hektisch
eine Nummer. »Sie geht einfach nicht ans Telefon. Seit gestern Abend geht sie
nicht mehr ans Telefon. Ich habe ihr den AB vollgequatscht, tausend SMS geschickt, keine
Reaktion. Das macht mich echt panisch.«
»Wahrscheinlich
hat sie sich die Decke über den Kopf gezogen und will keinen sehen.« Zumindest
ich hatte bei Liebeskummer so reagiert. »Los, komm, wir müssen anfangen zu
arbeiten.«
Arîn rührte sich
nicht vom Fleck. »Katharina, ich mache mir wirklich Sorgen. Was, wenn sie sich
was angetan hat? Tabletten, Pulsadern oder so?«
»Ach, komm schon,
für so was ist Minka nicht der Typ!« Wobei ich ehrlicherweise gar nicht wusste,
für was Minka der Typ war.
Bis zu dem
Bause-Fest hatte ich sie für eine unauffällige, scheue, junge Frau gehalten.
Sie kam aus Polen, das wusste ich aus ihren Papieren, war vor ein paar Jahren
als Au-pair-Mädchen nach Deutschland gekommen und hängen geblieben. Bei mir
arbeitete sie erst seit ein paar Monaten, und mehr wusste ich nicht über sie.
»Ich habe einen
Ersatzschlüssel für ihre Wohnung, aber ich traue mich nicht alleine hin –«
»Auf keinen Fall.
Wir kommen wieder in Teufels Küche, wenn wir nicht pünktlich mit der Arbeit
anfangen.«
»Ist gar nicht
weit. Buchforst, mit dem Auto fünf Minuten. Und wenn ich weiß, dass ihr nichts
passiert ist, kann ich viel besser
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