Himmel un Ääd (German Edition)
gemeinsamen
Wohnung nichts wissen wollte. »Ich brauch keine eigene Wohnung und kein eigenes
Zimmer, ich brauch meine Freiheit, Kathi. So eine enge Zweierwirtschaft ist
nichts für mich. Weißt, was ich dann denk? Sonntags zur Messe, vorm Fernsehkastl
hocken, raus mit dem Dackel, und jeder Satz fängt mit einem ›Wir‹ an …«
Immer, wirklich
immer, wenn ich in unserer Beziehung etwas verändern wollte, drängte er mich in
diese miese Spießerecke. Ich hätte heulen mögen, stattdessen war ich arbeiten
gefahren. Hatte in der »Weißen Lilie« Streuselkuchen gebacken, Brötchen
geschmiert und den Tisch für den Leichenschmaus gedeckt.
Ich lief hinüber
zu dem von einer Bruchsteinmauer umsäumten Eingang des Friedhofs. Gestern der
Besuch von Dany, heute die Wiederentdeckung dieses Restaurants, ich wollte
nicht, dass die Erinnerung an Spielmann so viel Raum beanspruchte.
Spielmann war
Vergangenheit, und die Fehler, die ich mit ihm gemacht hatte, brauchte ich
nicht zu wiederholen. Nie mehr würde ich mich einem Mann ganz hingeben, mich
für ihn aufgeben. Was ich wollte, war so wichtig wie das, was Ecki wollte.
Was Nähe und
Distanz anging, waren wir beide empfindlich. Die Spießerecke, in die er mich
stellte, nichts als Abwehr und Angst seinerseits. Also mussten wir um einen gemeinsamen
Weg ringen, Kompromisse finden. Was die gemeinsame Wohnung betraf, wollte ich
allerdings nicht so schnell klein beigeben. Zugegeben, es war kein guter
Zeitpunkt gewesen, den zerzausten, unausgeschlafenen, Aspirin schlürfenden Mann
damit zu überraschen.
Heute, nach der
Arbeit, in der Kasemattenstraße ohne Adela und Kuno würde ich einen weiteren
Versuch starten. Ich atmete tief durch. Die Bäume, die Sonne, die Wärme
stimmten mich optimistisch.
Kiefern mit
ungewöhnlich schlanken, langen Stämmen reckten sich in den blauen Himmel. Sie
wirkten ein wenig exotisch. So als wären sie nicht von hier, so als hätte man
sie aus südlicheren Gefilden hierher verpflanzt. Sie gaben dem Ort eine
Leichtigkeit, die das filigrane Schattenspiel ihrer Äste auf dem englischen
Rasen, in den man sie gepflanzt hatte, verstärkte. Neben diesen Exotenkiefern
wuchs auf dem Friedhof die ganze Palette einheimischer Laubbäume. Die Gräber
duckten sich unter ihnen hinweg oder wurden von ihren Blättern verdeckt.
Als ob sie
wüssten, wie klein und mickrig sie im Vergleich zu dem sich ewig wandelnden
Wald waren. Ein ungewöhnlicher Friedhof. Hatte sich der alte Mombauer diesen
ausgesucht? Oder war es die Entscheidung seiner Tochter gewesen, ihn hier zu
beerdigen?
Ein paar Mülheimer
Schützen in Uniform liefen an mir vorbei in Richtung Trauerhalle. Ernst
dreinblickende alte Männer, die es für ihre Pflicht hielten, Mombauer das
letzte Geleit zu geben. Geburten, Hochzeiten, Sterbefälle, immer waren die
Schützen zur Stelle. Ich wartete noch auf Arîn und Eva, wir hatten uns hier am
Eingang verabredet. Die Luft roch unverwechselbar nach Wald. Mit einem Mal kam
es mir vor, als wäre ich viel weiter weg von der Stadt, als ich tatsächlich
war. Der Himmel, die Erde, die Luft, alles war anders hier. Mein Blick folgte
einem aufgeregten Vogelpärchen, das sich zwischen den Bäumen jagte.
Ein Blick auf die
Uhr, nicht mehr viel Zeit. Wo blieben Arîn und Eva? Ich beschloss, den Schützen
hinterherzugehen, sah sie schon in der garagenähnlichen Trauerhalle verschwinden
und fand auch mich wenig später in dem kühlen Raum wieder. Der aufgebockte
Sarg, Sabine Mombauer, Irmchen Pütz, ein paar alte Männer, die Schützen. Nicht
viele, die dem alten Mombauer die letzte Ehre erwiesen. Kein Wunder bei dem
Einsiedlerleben, das er geführt hatte.
Ich nickte den
Anwesenden zu und setzte mich in eine Bank weit hinten, in der Hoffnung, dass
Arîn und Eva gleich kommen würden und sich dann zu mir setzen könnten. Auch
nach den allgemeinen Worten des Pastors, der Mombauer wohl niemals begegnet
war, tauchten die zwei nicht auf. Schon wurde der Sarg nach draußen gerollt.
Die spärliche Gästeschar, inklusive mir selbst, folgte. Vielleicht hatten sich
Eva und Arîn verpasst, vielleicht hatte Evas altes Auto mal wieder gestreikt,
vielleicht hatten sie den Ostfriedhof nicht gefunden, vielleicht hatten sie
sich in der Zeit geirrt.
Während ich mit
den Trauergästen dem Sarg folgte, dachte ich an die anderen Toten, die ich in
den letzten Jahren zu Grabe getragen hatte: Jupp Schwertfeger, der Adelas Leidenschaft
für alte Autos teilte. Konrad Hils, der Mann meiner Freundin
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