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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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Fürsorge füreinander rührte mich. Plötzlich beneidete ich
sie um dieses selbstbestimmte Rentnerleben, wo sie in bürgerschaftlichem
Engagement eine Aufgabe gefunden hatten. Wo sie Zivilcourage zeigten. Wo sie
sich auf Neues einließen. Fremde Menschen kennenlernten. Wo sie gemeinsam etwas
taten. Ich dagegen kümmerte mich nur um die »Weiße Lilie« und drehte mich darin
wie in einem Hamsterrad. Wann hatte ich das letzte Mal über den Tellerrand
hinausgeguckt?
    Langsam tat das
Bier seine beruhigende Wirkung. Ich sagte den beiden Gute Nacht und ging Zähne
putzen. Im Bett spürte ich jeden einzelnen Knochen. Mein Körper war dankbar für
die Waagrechte, aber mein Geist wehrte sich gegen die betäubende Wirkung des
Alkohols. All meine Sorgenkinder meldeten sich zurück, drängelten sich
wechselseitig in den Vordergrund, wollten alle befriedigt werden. Ganz
überforderte Mutter, befahl ich ihnen, ruhig zu sein, was sie natürlich nicht
taten.
    Ich versuchte sie
zu ignorieren, indem ich mich an einen unbeschwerten Tag mit Ecki in der Wachau
zurückträumte, wo wir als frisches Paar mal gewesen waren: die Donau so blau,
der Wind so sanft, der Himmel so heiter, die Häuser so schmuck, die Marillen so
reif, der Bauer so freundlich, das Essen so gut, die Küsse so süß. Ein Tag, an
dem die Welt aus einem Guss erschien und wir zwei darin unseren Platz gefunden
hatten.
    Ein bisschen
durfte ich mich in Gedanken an die Donau setzen und in die perfekte Welt jenes
Tages eintauchen, aber dann kehrten die Plagegeister zurück und forderten
Lösungen von mir, die ich ihnen nicht geben konnte. Ich wälzte mich hin und
her, zerknüllte das Kopfkissen, ging dreimal aufs Klo und vermisste Ecki.
Seinen Atem in meinem Nacken, seinen Bauch an meinem Rücken, seine Hand an
meiner Brust. War es Liebe, wenn man nicht mehr ohne den anderen einschlafen
konnte?
    Ich sah schon die
Morgendämmerung ins Zimmer kriechen, als er endlich kam. Er scheute den Weg ins
Bad, entledigte sich nur ungelenk seiner Hose, bevor er ins Bett plumpste, um
sofort in einen komaähnlichen Schlaf zu verfallen. Er stank nach billiger
Kneipe und schlechter Gesellschaft. Ich drehte mich von ihm weg. Heute nahm ich
ihm sein Abtauchen übel.
    Morgen wird alles
wieder viel besser ausschauen, tröstete ich mich. Ich hatte keine Ahnung, wie
sehr ich mich irrte.

VIER
    Der Ostfriedhof
lag weit draußen. Da, wo sich das Städtische schon völlig verlor und schmale
Häuser, kleine Marktplätze und bescheidene Kirchen zeigten, dass Köln an seinen
Rändern nichts weiter war als eine Kette eingemeindeter Dörfer. Der Brücker
Mauspfad markierte das Ende der Besiedlung. Dahinter erstreckten sich die
weitläufigen Wälder des Königsforstes, in die der Friedhof eingebettet war.
    Ich parkte den
Wagen. Wieder ließ ein strahlender Frühsommertag die Welt leicht und luftig
erscheinen. Als ich den Wegweiser entdeckte, wusste ich, dass ich schon mal
hier gewesen war. Auch an einem Sommertag, aber an einem glühend heißen. Wo es
Erlösung bedeutet hatte, dem überhitzten Beton der Stadt zu entfliehen und ein
wenig frische Waldluft zu atmen.
    Nicht auf dem
Friedhof war ich gewesen, sondern im schattigen Biergarten des Restaurants »Zu
den sieben Wegen«, zu dem das Schild wies und das, durch ein paar Bäume
versteckt, schräg gegenüber dem Friedhofseingang lag. Der Biergarten hatte
Kühle versprochen, und das Restaurant eine vorzügliche Küche. Spielmann hatte
mich zum Essen eingeladen. Noch in den guten Zeiten. An eine ausgezeichnete
Tomatenterrine erinnerte ich mich, an einen leichten Wind auf der feuchten Haut
und daran, wie ich an Spielmanns Lippen gehangen, wie ich während des ganzen
Essens nach seinen Berührungen gegiert hatte.
    Damals wäre ich
für ihn durchs Feuer, sogar durch die Hölle gegangen. Der große Spielmann, mein
Held, mein Ein und Alles. Völlig verrückt nacheinander hatten wir nach dem
Essen nicht warten können und noch auf einem von Büschen mäßig geschützten
Rasenstück wild und riskant miteinander geschlafen. Danach nackt und
schweißgebadet nebeneinander gelegen und in einen von milchigen Wolken
verhangenen Nachthimmel geguckt.
    Lang, lang vorbei.
Das Restaurant war verschwunden, es gab nur noch ein Hotel, Spielmann gab es
nicht mehr und auch die Katharina nicht, die ich damals gewesen war.
    Es tat nicht gut,
an die Vergänglichkeit der Liebe zu denken, nicht nach diesem Vormittag. Da
hatte ich mich mit einem verkaterten Ecki gestritten, der von einer

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