Himmel un Ääd (German Edition)
nur ich das so erlebt?
Genügte Ecki das nicht? Genügte ich ihm nicht?
Jede Frage ein
neuer Stich ins Herz. Minka, dieses Miststück! Wie ein Chamäleon kam sie mir
vor. In meiner Küche still und blass, auf Bauses Fest ein heißer Feger. Wen
hatte sie noch alles mit ihren speziellen Fähigkeiten umgarnt?
»Bestimmt hatte
sie Kunden in Lomi-Lomi, Yoni, Lingum, was weiß ich! Schwarz und unter der
Hand. Einer wollte mehr, als im Preis inbegriffen war. Soll ja vorkommen, dass
die Kerle dann durchdrehen. Da müssen Sie nachforschen. Außerdem hat sich
dieser Chidamber mehr als verdächtig gemacht!«
Brandt nickte
vage, bevor er sagte: »Ungewöhnlich ist es auf alle Fälle, dass jemand solche
Kurse belegt. Helfen Sie mir, damit ich mir die junge Frau vorstellen kann! War
sie so der Stille-Wasser- oder eher der Die-Unschuld-vom-Lande-Typ?«
»Da fragen Sie ja
die Richtige«, schnaubte ich. »Für mich war Minka, bis ich sie schwer
aufgebrezelt auf dem Bause-Fest gesehen habe, eine unscheinbare junge Frau, die
den Spül machte. Sie war pünktlich, zuverlässig und redete nicht über sich.
Zumindest nicht mit mir. Sie hat nie mit uns gegessen, weil sie ab Mitternacht
noch einen weiteren Job hatte. Als Garderobiere im ›All-inclusive‹, wie ich in
der Zwischenzeit von Arîn erfahren habe.«
Brandt notierte
sich irgendwas und fragte dann: »Wie sind Sie an Frau Nowak gekommen?«
Ich zuckte mit den
Schultern. »Wie das halt so läuft, wenn man in der Gastronomie jemanden sucht.
Man fragt erst mal die Kollegen, man fragt seine Lieferanten, man fragt seine
Bekannten«, erklärte ich. »Weil man jemanden mit Empfehlung lieber nimmt als
einen Fremden. So ein Spülposten muss auf Zack sein, da können Sie keine
Schnecke gebrauchen. Wenn in der Küche das dreckige Geschirr unsere
Arbeitsflächen blockiert, ist die Hölle los. Ich habe also meine Fühler
ausgestreckt, wir alle haben unsere Fühler ausgestreckt. Na, und eines Abends
stand Minka in der ›Weißen Lilie‹ und fragte, ob der Spülposten noch frei sei.
›Klar‹, habe ich gesagt, ›kannst sofort anfangen.‹ Das hat sie getan, hat gut
gearbeitet, und ich hab sie auf Vierhundert-Euro-Basis eingestellt.«
»Haben Sie sie mal
gefragt, wie sie von dem freien Posten erfahren hat?«
Hatte ich das? Ich
wusste es nicht mehr. Vielleicht hatte ich vergessen, sie danach zu fragen,
weil sie so gut arbeitete, weil sie sich unsichtbar machen konnte, weil ich
froh war, dass der Posten besetzt war. Vielleicht hatte sie es mir auch gesagt,
und der Name, den sie genannt hatte, war mir so naheliegend vorgekommen, dass
ich ihn schnell vergessen hatte.
»Ich weiß es nicht
mehr«, antwortete ich wahrheitsgemäß, und dann fiel mir das Heft wieder ein.
Das Heft, in dem
Minka Interna der »Weißen Lilie« gesammelt hatte und das aus meinem Kopf
verschwunden war, nachdem ich Eva das verfluchte Foto aus der Hand gerissen
hatte. Hatte man Minka bei mir eingeschleust? Hatte sie von Anfang an
spioniert?
Um das
herauszufinden, musste ich mir das Heft noch einmal genau ansehen. Also noch
kein Wort dazu zu Brandt. Bestimmt konnte ich anhand ihrer Notizen
nachvollziehen, wann sie damit begonnen hatte. Wo hatte ich das Heft überhaupt?
Immer noch in der Handtasche?
»Wie schade, dass
Sie nicht mehr wissen, durch wen Frau Nowak zu Ihnen kam«, seufzte Brandt.
»Sie können sich
nicht vorstellen, wie sehr ich es bereue, dass ich ihr gegenüber nicht misstrauischer
war.«
»Glauben Sie
wirklich, dass Misstrauen vor Unglück schützt?«, fragte er erstaunt. »Dinge
passieren, Menschen sind kompliziert, Katastrophen gehören zum Leben.
Misstrauen hilft Ihnen nie, einen Menschen besser zu beurteilen.«
»Ach ja?«, spottete
ich und dachte, dass ich noch nie einen Polizisten mit einer so
menschenfreundlichen Grundhaltung kennengelernt hatte.
»Interesse,
Beobachtung, Neugier, Nachfragen«, zählte er auf. »Verstehen Sie mich nicht
falsch, natürlich darf Ihnen ein anderer völlig gleichgültig sein. Jedem von
uns sind Millionen von Menschen völlig gleichgültig, sonst könnten wir das
Elend dieser Welt nicht aushalten. Aber wenn einem jemand nicht gleichgültig
ist, dann ist es besser, positive Energien auf ihn zu verwenden als negative.
Und Misstrauen kostet nicht mehr und nicht weniger Kraft als das Gegenteil.«
Gleichgültigkeit,
damit traf es Brandt genau. Minka war mir gleichgültig gewesen. Deshalb wusste
ich nicht, wer sie zu mir geschickt hatte. Deshalb hatte ich nicht
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