Himmel un Ääd (German Edition)
Ich
war keine, zu der die Mühseligen und Beladenen kommen konnten. Zum Glück beließ
sie es bei dieser Andeutung und kam stattdessen auf ihren Cousin Tommi zu
sprechen.
»Der steht in den
Startlöchern, der verkauft das Haus sofort für mich. Der findet sowieso, dass
ich viel zu langmütig bin. Jetzt unterschreiben Sie endlich den Vertrag, damit
die Sache erledigt ist.«
Ich balancierte
die beiden Espressi zu ihr und stellte sie ab. Noch bevor ich mich setzen
konnte, riss sie mit einer zackigen Bewegung den Vertrag aus der Tasche und
schob ihn über den Tisch, ich schob ihr im Gegenzug den Espresso hin.
Die Mitleidstour,
dachte ich, probier doch einmal, ob du das nicht auch kannst. Sag doch einfach:
Meine Spülfrau ist ermordet worden, mein Freund hat mich betrogen, bei mir
wurde eingebrochen. Mein Leben ist ein Scherbenhaufen, ich kann nicht mehr.
Aber ich brachte keinen Ton heraus, stattdessen stieg wieder diese Hitze in mir
auf. Schweiß brach aus allen Poren, und, um das Unglück perfekt zu machen,
kamen noch die Tränen. Erst nur ein paar, aber dann flossen sie mit Wucht, so
als würde ein Staudamm brechen. Ich konnte nicht mehr aufhören. Ich schniefte
und schluchzte, schwitzte und schweißte, rammte meinen Körper blind in die
Höhe, kippte mit zittriger Hand die Espressotasse um, stürzte nach draußen,
lief Eva in die Arme, wehrte mich, als sie mich festhalten wollte, strampelte
mich frei und lief heulend weiter.
Ich stolperte die
Keupstraße entlang, achtete nicht auf quietschende Bremsen und wütendes Gehupe
und lief über den Clevischen Ring, immer weiter, einfach nur weiter, bis ich
irgendwann mein Gesicht im Schaufenster einer türkischen Konditorei gespiegelt
sah. Aufgequollene, rot geheulte Augen zwischen Baklava, Lokum und türkischem Honig.
Die verschleierte Türkin neben mir bemerkte ich erst, als sie mich sanft
anstupste, mir ein Papiertaschentuch in die Hand drückte und mich durch ein
Deuten auf meine Hosentasche darauf hinwies, dass mein Handy klingelte. Ich
nestelte es heraus. Ecki? Würde ich rangehen?
Aber es war Adela,
die anrief. Gott sei Dank, Adela war zurück.
»Wie war dein
Camp?«, schniefte ich.
»Schätzelchen, das
Camp ist völlig egal«, schnaufte sie. »Ich bin so froh, dass du endlich
drangehst! Ich telefoniere mir seit zehn Minuten die Finger wund, nachdem mich
eine maßlos besorgte Eva angerufen hat. Wo steckst du?«
Ich sagte es ihr.
»Puls? Herzschlag?
Knie?«
Ach, meine liebe
Adela. Wenn sie um einen besorgt war, kam bei der alten Hebamme immer erst die
Krankenschwester durch.
»Erhöht und
zittrig«, berichtete ich.
»Geh rein und kauf
dir eine von diesen Zuckerbomben, damit dein Blutzuckerspiegel nicht absackt.«
Ich tat wie
geheißen und suchte mir in der Konditorei zwei, drei süße Teilchen aus. Wieder
auf der Straße, schob ich mir ein klebriges Baklava-Stückchen in den Mund.
Pistazien und Zucker knirschten zwischen meinen Zähnen.
»Jetzt zum
schwierigen Teil«, tönte Adela. »Was ist los? Klär mich auf. Präzise und in
eins dreißig. Konzentrier dich auf das Wesentliche.«
»Jetzt wird die
Mombauer das Haus verkaufen«, presste ich hervor. »Und der neue Besitzer kann
mich sofort auf die Straße setzen, weil mein Pachtvertrag Ende des Monats
ausläuft.«
»Ich glaube nicht,
dass der Pachtvertrag zurzeit dein größtes Problem ist. Was ist mit Minka
passiert? Wo steckt Ecki? Entwirre mir mal das Gestammel von Eva!«, befahl
Adela.
Ich versuchte es.
Bestimmt nicht präzise und auch nicht in eins dreißig, aber Adela hörte zu und
fragte nach.
»Wie kann Ecki nur
so doof sein und das Risiko eingehen, eine Frau wie dich zu verlieren?«, regte
sie sich auf, als ich zu Ende erzählt hatte.
Ich kannte Adela
gut genug und wusste genau, dass sie es nicht bei dieser Solidaritätsbekundung
belassen würde. Gleich würde einer ihrer berühmten Aber-Sätze kommen. Und so war
es auch.
»Aber dass Minka
eine ist, die Männer zu läufigen Hunden macht, hab ich dir schon nach der
Bause-Sause erzählt. Erinnerst du dich, Schätzelchen?«
»Soll das jetzt
eine Entschuldigung sein, oder was?«, blaffte ich sie an.
»Natürlich
nicht!«, empörte sich Adela. »Aber na ja, Ecki ist kein Kind von Traurigkeit,
du ja eigentlich auch nicht. Ihr zwei habt Erfahrungen im Betrügen und
Betrogenwerden, aber …«
»Es ist doch was
ganz anderes, in weiter Ferne mit einer anderen ins Bett zu steigen, als direkt
vor meiner Nase fremdzugehen«, jammerte ich. »Das
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