Himmel un Ääd (German Edition)
Autoschlüssel die Türen
eines metallicblau lackierten Passats daneben aufklicken. Aus dem Kofferraum
holte er einen durchsichtigen Plastikbeutel heraus. »Das wächst in meinem
Schrebergarten, und ich kann mir vorstellen, dass Sie eine der wenigen sind,
die daraus etwas anderes als Bowle machen können.«
Er reichte mir die
Tüte, ich steckte meine Nase hinein. Waldmeister.
»Grün, aber kein
Brokkoli«, murmelte ich.
»Wie bitte?«,
fragte Brandt irritiert.
»Ach nichts.« Ich
zerrieb eines der zarten Pflänzchen mit den filigranen Blättern zwischen den
Fingern. Sofort hatte ich den intensiven Duft von Waldmeister in der Nase. Das
frische Grün der Pflanze ähnelte in nichts dem Giftgrün der künstlich
hergestellten Sirups und Puddings.
»Ein bisschen aus
der Mode gekommen«, sagte ich. »Hat so einen Fünfziger-Jahre-Charme. Wie Käseigel,
Tomatenpilze, Spargelröllchen und Wackelpudding. Echter Waldmeister ist
wirklich eine Herausforderung.«
Wieder schnupperte
ich. Waldmeister, musste man den vor dem Verwenden antrocknen oder nicht? Und
wie war noch mal der Grünton von nicht künstlich hergestelltem
Waldmeistersirup? Ziemlich unansehnlich, eher oliv, oder? Normalerweise liebte
ich Herausforderungen beim Kochen. Dass ich denen allerdings heute gewachsen
war, bezweifelte ich sehr.
»Es würde mich
freuen, wenn ich von dem Ergebnis testen dürfte.« Brandt verschloss das Auto
wieder. »Wir können zurück ins Haus«, sagte er dann und deutete auf den
Kleinen, der uns von der Eingangstür zunickte.
Ich überprüfte
zuerst Küche und Vorräte, ohne Spuren eines Einbruchs zu entdecken, und folgte
dann Brandt in die Waschküche. Fünf offene Spindtüren, Kochjacken, Schürzen und
Arbeitsschuhe auf dem Fußboden verteilt, dazwischen lag Kleinkram wie
Handcremes, Regenschirme, zerlesene Zeitschriften und eine alte Pappnase. Ganz
obenauf das schwarze Tuch, das Ecki sich beim Kochen piratenmäßig um den Kopf
band und dessen Anblick mir einen Stich in die Herzgegend versetzte.
»Können Sie die
Sachen Ihren Mitarbeitern zuordnen?«, fragte Brandt.
Bei Kochjacken und
Schuhen war das kein Problem, meine und Eckis Sachen kannte ich sowieso, die
schmale Kochjacke und die kleinsten Schuhe gehörten Arîn, die sauberen, glatt
gebügelten Schürzen Eva. Der einzige Minka zuzuordnende Gegenstand war ein
graues T-Shirt.
»Ich hätte gestern
doch über meinen Schatten springen und das Schloss von Frau Nowaks Spind
knacken sollen«, bedauerte Brandt, den Blick auf die Häufchen am Boden
gerichtet, die ich zusammengestellt hatte. »Ob der oder die Einbrecher gefunden
haben, was sie suchten? Oder sind sie mit leeren Händen gegangen? Was, denken Sie,
war das Objekt ihrer Begierde, Frau Schweitzer?«
Dem Tonfall seiner
Stimme konnte ich nicht entnehmen, ob ihn eine Antwort wirklich interessierte.
»Die Geheimnisse
der Lomi-Lomi- oder Yoni-Massage, was weiß ich?«
»Ach?« Brandt
blickte vom Boden auf. »Dieses Plakat in Frau Nowaks Schlafzimmer ist Ihnen
also auch aufgefallen?«
»Groß genug ist es
ja. Da muss man schon blind sein, damit einem das nicht auffällt.«
»Yoni-Massage.
Wussten Sie, was das ist? Ich gestehe, ich hatte keine Ahnung. Das Internet hat
mich klüger gemacht. Bei Yoni werden die weiblichen, bei Lingum die männlichen
Geschlechtsteile massiert. Ich stelle mir das als eine Art externe
Selbstbefriedigung gegen Bezahlung vor.«
Ich stellte mir
Minka und Ecki dabei vor. Mir wurde schlecht.
»Wir haben in Frau
Nowaks Unterlagen gesehen, dass sie einen Kurs dazu bei einem tantrischen
Massagezentrum in Köln belegt hat«, berichtete Brandt. »Wir wissen nicht, ob
sie diese Technik praktiziert hat oder ob sie Kunden dafür hatte. Sagt man das
dann? Kunden? Oder Patienten? Ich nehme nicht an, dass Sie –«
»Nein«, unterbrach
ich ihn schroff, weil immer noch schwüle Bilder durch meinen Kopf schwirrten.
War es Sex, der Ecki zu Minka getrieben hatte? Sex mit einer Expertin in
tantrischer Erotikmassage, die vielleicht Geheimnisse der Stimulation und
Praktiken kannte, von denen ich noch nie etwas gehört hatte?
Unser Sex war doch
gut, verdammt! Klar, nicht mehr so wild und rauschhaft wie in den Zeiten, als
Ecki noch irgendwo in der Welt arbeitete und wir uns nur selten sahen. Wo wir
es nicht erwarten konnten, miteinander im Bett zu landen, und manchmal den
ganzen Tag nicht aufgestanden waren. Ruhiger, fließender, genießerischer. Noch
in dieser Woche hatten wir tollen Sex gehabt. Oder hatte
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