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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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arbeiteten
sie auf Hochtouren, erzählte er. Die Altbauwohnung der pure Horror, so viele
Ritzen, Kamine, Kabelschächte, Fußleistenöffnungen, tausend Orte also, wo die
winzige Giftspritze stecken könnte. Mehl verteile man, um ihre Spuren sichtbar
zu machen, Klebestreifen zudem, damit die Schlange darauf haften bleibe. Ob ich
vor ein paar Monaten von dem Fall in Mülheim an der Ruhr gelesen habe, wollte
er wissen.
    Natürlich
erinnerte ich mich als Schlangenphobistin sofort, wunderte mich sogar, dass ich
nicht früher daran gedacht hatte. Aber wie sollte ich, wo alles so Schlag auf
Schlag ging? Auch dort war eine hochgiftige Kobra ausgebüchst, und es hatte
drei Wochen gedauert, bis man das entkräftete Tier auf einem der Klebestreifen
gefunden hatte. Drei Wochen! Was das für die »Weiße Lilie« hieß, wollte ich mir
gar nicht ausmalen.
    Mit den Kollegen
aus Mülheim sei man natürlich im Dauerkontakt, deshalb habe man auch sofort das THW mit diesem endoskopischen Spezialgerät
angefordert, mit dem man in alle Winkel und Ecken hineinleuchten könne,
berichtete Angermann weiter. Leider, leider bisher ohne Erfolg. Für heute
würden sie die Arbeit beenden. Morgen, wenn die Schlange verschwunden bleibe,
wolle man ein paar junge Mäuse als Lockmittel einsetzen, und wenn das nicht
helfe, dann vielleicht wie im anderen Mülheim die komplette Bude
auseinandernehmen. Alle Möbel raus, alle Dielen raus, alle Schlupflöcher
freilegen.
    »Und was ist mit
der ›Weißen Lilie‹?«, wollte ich wissen.
    Um die sollte ich
mir keine Sorgen machen, die bleibe von allem unberührt, ein Dornröschenschlaf
auf unbestimmte Zeit, nichts würde verändert, nichts weggenommen, da könne ich
ganz sicher sein. Sie dürfe aus Sicherheitsgründen eben nur nicht mehr betreten
werden. Zum Schluss empfahl er mir, ein paar Tage freizunehmen. Er versprach,
sich um Irmchens Wunschliste zu kümmern, und verabschiedete sich mit einem
markanten Händedruck, um aufs Schlachtfeld zurückzukehren.
    Und dann war er
weg, auch die Rentner waren weg, und ich stand zurückgelassen auf der
Keupstraße und blinzelte benommen in eine Abendsonne, die in feurigem Rot
hinter dem Rhein unterging. Vom Spielplatz hinten drang das Siegesgeheul der
Fußballer auf die Straße, in den Bäumen lärmten die Spatzen. Auf dem seit
Jahren wasserlosen Drei-Königs-Brunnen turnten kleine Mädchen herum und
lutschten Eis. In der Küche des Altenheims klapperten die Teekannen. Ein
leichter Sommerwind spielte mit der Glyzinie, die sich um die Eingangstür der
»Weißen Lilie« rankte. Alles wie immer. Aber für mich war nichts wie immer.
    Wieder vermisste
ich Curt. Zu gern wäre ich jetzt an seinen Tresen in der »Vielharmonie«
getrabt, hätte mir ein frisches Kölsch zapfen lassen und mit ihm diesen irren
Tag, ach was, diese irren Tage bequatscht. Zu gern hätte ich mich durch seine
lakonischen Wirt-Antworten beruhigen lassen.
    Ohne eindeutigen
Befehl bewegten sich meine Füße in Richtung Mülheimer Freiheit. Vor dem Eingang
des Altenheims klingelte mein Telefon. Ich wühlte in meiner Handtasche, suchte
es in den Hosentaschen, merkte nicht, dass ich dabei jemanden anrempelte.
    »'tschuldigung«,
murmelte ich, ohne aufzusehen.
    »Kein Problem.«
    Die Stimme
erkannte ich sofort. Ich blickte auf und sah in ein Paar melancholische
Mädchenaugen. Auch Pfeifer wirkte überrascht.
    »Sie hier?«,
fragte ich dämlich.
    »Köln ist ein
Dorf.«
    Pfeifer schenkte
mir ein charmantes Schulterzucken. Heute trug er ein T-Shirt. Das Tattoo, das
am Hals endete, konnte ich jetzt deutlicher sehen. Eindeutig eine Schlange.
Oder sah ich jetzt schon überall Schlangen? Und was suchte er hier?
    »Aber nach Mülheim
verirrt man sich nicht zufällig«, erwiderte ich. »Was treibt Sie –?«
    »Ihr Telefon
klingelt«, unterbrach er mich.
    Wieder wühlte ich
in meiner Tasche.
    »Moment«, murmelte
ich, als ich es endlich in Händen hielt und aufgeklappt hatte. Pfeifer war
schon weitergegangen. »Tomasz!«, rief ich ihm hinterher.
    Er drehte sich
nicht um, steckte nur die Hände in die Hosentasche und lief einfach weiter.
    »Ja?«, kläffte ich
in das Handy. Adela war dran und wollte wissen, wo ich und ihr Cabrio blieben.
Ich stammelte eine Kurzfassung der Ereignisse zusammen.
    »Soll ich dich
abholen?«, fragte sie besorgt.
    »Nicht nötig.«
    »Dann hol ich mir
den kleinen Schwarzen ab, weil ich morgen früh das Auto brauche.«
    »Klar doch.«
    Ich überließ mich
meinen Füßen, die

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