Himmel un Ääd (German Edition)
Haus, eine Schlange, die überall
auftauchen konnte, das war Horror pur.
»Feuerwehr und THW sind auf dem Weg zu Mombauers Wohnung, um nach dem
Tier zu suchen. Bis die Suche erfolgreich abgeschlossen ist, werden alle
Bewohner evakuiert, und Sie müssen die ›Weiße Lilie‹ schließen«, machte Brandt
weiter.
»Und wie lange
kann das dauern?«, stammelte ich und merkte, wie ich automatisch die Füße
hochzog und meinen Blick panisch über den Küchenfußboden gleiten ließ.
»Da legen sich die
Fachleute nicht fest. Es kann schnell gehen, kann aber auch sechs bis acht
Wochen dauern.«
»Sechs bis acht
Wochen?«, kreischte ich. »Und wer zahlt mir den Verdienstausfall?«
»Darüber können
sicher die Kollegen von der Feuerwehr Auskunft geben. Auf den Halter des
Tieres, wenn wir ihn ermitteln, würde ich nicht bauen. Die wenigsten
Reptilienfreunde sind gut bei Kasse«, wusste Brandt. »Haben Sie eine
Versicherung? Höhere Gewalt vielleicht?«
»Höhere Gewalt? Da
kann ich ja gleich Konkurs anmelden.«
»Jetzt gehen Sie
mal nicht vom schlimmsten Fall aus«, versuchte Brandt mich zu trösten.
Von was sollte ich
denn sonst ausgehen? Von Tag zu Tag wurde meine Pechsträhne länger und mein
Elend größer. Die Schlange gab mir wirklich den Rest. Ich hasste Schlangen.
Mich grauste allein die Vorstellung davon.
»Es muss doch
irgendwas geben, um das verdammte Viech aus seinem Versteck zu locken«, raunzte
ich Brandt an. »Mäuse, Duftstoffe, feines Futter, irgendwas.«
»Die Fachleute tun
ihr Möglichstes. Ich gebe Ihnen die Nummer des Einsatzleiters. Rufen Sie ihn
an«, versuchte mich Brandt zu beruhigen.
Ich schloss die
Augen und sah Mombauers Wohnung vor mir. Wie war die Schlange dorthin gekommen?
Wenn man wie ich eine Schlangenphobie hatte, dann las man alle Horrorberichte
über Reptilien. Die füllten in regelmäßigen Abständen die Seite »Vermischtes«
der Zeitungen. Alligatoren in Baggerseen, Anakondas in Abwasserrohren, Pythons
in Kloschüsseln, all das hatte es schon gegeben. Jedes Mal verfluchte ich die
Idioten, die sich solche Viecher in ihren Wohnungen hielten und nicht auf sie
aufpassen konnten. Bis zu vier Millionen Deutsche hielten sich Reptilien oder
andere giftige Tiere, viele hatten keine Ahnung von fachgerechter Haltung. Über
diese Zahl – vier Millionen – durfte ich gar nicht weiter nachdenken, weil ich
sonst in jedem Pappkarton, den ein Sitznachbar in der Straßenbahn auf dem Schoß
hielt, oder hinter der Wohnungstür jedes zweiten Nachbarn eine Schlange
vermuten würde. Überall konnte so ein entwischtes Mistviech auftauchen.
Hatte die Schlange
schon in irgendeinem Winkel gelauert, als Irmchen und Sabine Mombauer nach dem
Testament suchten? Oder hatte sie jemand danach in die Wohnung geschafft? Aber
wer? Ich dachte an die Albumbilder, die Sabine Mombauer uns gezeigt, und an
das, was sie über ihren Cousin erzählt hatte. Tommi Mombauer. Ich fand, dass
sich Brandt den einmal vorknöpfen sollte.
»Es gibt einen
Vetter von Sabine«, erzählte ich ihm. »Der war zumindest als Kind ein großer Reptilienfreund.
Es sind Bilder von ihm in Mombauers Album, auf denen er sich eine Schlange um
den Hals gelegt hat. Wenn Irmchen recht hat, erbt er das Haus.«
»Interessant«,
murmelte Brandt und stellte dann die Frage, die er mir bei jedem Gespräch
stellte.
Sofort kehrten die
Erinnerungen an die Nacht in Brüssel zurück, und mein Bauch zog sich zusammen.
Was für eine ungeheure Demütigung es gewesen war, geschlagen zu werden. Im
Gegensatz zu mir war Ecki nicht die Hand ausgerutscht, der hatte wie in einem
Rausch auf mich eingedroschen. Nein, davon würde ich Brandt nichts erzählen,
entschied ich und ärgerte mich gleichzeitig, weil ich Ecki immer noch schützen
wollte.
»Frau Schweitzer?«
Das Telefonat, na
klar. Darüber konnte ich locker berichten: »Ecki sagt, er war's nicht. Und er
sagt, dass Minkas Kette auf dem Zeitungsfoto fehlt. Silbern mit einem kleinen
Rubinsteinanhänger. Die hat sie getragen, als Ecki sie nach dem Streit im
›All-inclusive‹ verließ.«
Brandt wartete, ob
ich noch mehr erzählen würde, und sagte, als ich das nicht tat: »Als Mensch
kann ich verstehen, wenn Sie das Gespräch mit ihm schnell beendet haben, als
Polizist hoffe ich, Sie haben ihn mit Fragen gelöchert und mehr erfahren als
den Hinweis auf eine fehlende Kette.«
Doch damit konnte
ich wirklich nicht dienen.
»Ich melde mich,
sowie es etwas Neues gibt«, versprach er und wollte das Gespräch schon
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