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Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Titel: Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Rechten zu sehen, und sie und ich, wir mochten uns irgendwie. Die Luft da machte mir Atembeschwerden, also sagte sie, ich sollte kommen und für sie arbeiten, und das habe ich getan. Ich war 12 Jahre bei ihr an einem See namens Mourning Dove Lake oben im Norden. Wir wohnten da ganz allein, nur sie und ich, aber ich durfte mich um alles drin und draußen kümmern, sogar mit dem Motorboot und mit dem Auto fahren. Ich lernte richtig lesen, denn ihre Augen ließen nach und sie hatte es gern, wenn ich ihr vorlas. Sie starb mit 96 . Man könnte sagen, was für ein Leben für ein junges Mädchen, aber ich war glücklich. Wir haben immer zusammen gegessen, ünd die letzten anderthalb Jahre habe ich in ihrem Zimmer geschlafen. Aber nach ihrem Tod hat mir die Familie nur eine Woche Zeit gegeben, um meine Sachen zu packen. Sie hatte mir etwas Geld hinterlassen, und das gefiel denen wahrscheinlich nicht. Sie wollte, dass ich davon auf die Schule gehe, aber da wäre ich unter Kindern gewesen. Deshalb habe ich mich auf Mr McCauleys Anzeige im Globe beworben. Ich brauchte Arbeit, um über Mrs Willets’ Tod hinwegzukommen. Jetzt habe ich Sie wahrscheinlich lange genug mit meiner Vergangenheit gelangweilt, und Sie sind bestimmt erleichtert, dass ich in der Gegenwart angekommen bin. Vielen Dank für Ihre gute Meinung und für die Mitnahme zum Volksfest. Ich bin nicht so wild auf die Fahrten oder auf die Sachen, die es da zu essen gibt, aber es war trotzdem eine Freude, einbezogen zu sein.
    Ihre Freundin
    Johanna Parry
    Edith las Johannas Worte vor, mit flehentlicher Stimme und schmerzbewegtem Ausdruck.
    »Ich wurde in Glasgow geboren, aber meine Mutter musste mich weggeben, sobald sie mich sah …«
    »Hör auf«, sagte Sabitha. »Ich muss so lachen, mir wird gleich schlecht.«
    »Wie hat sie ihren Brief zu deinem tun können, ohne dass du es gemerkt hast?«
    »Sie nimmt ihn mir einfach weg und steckt ihn in einen Umschlag und schreibt die Adresse drauf, weil sie meint, ich schreibe nicht schön genug.«
    Edith musste Tesafilm auf die Lasche des Umschlags kleben, damit sie zu blieb, weil von dem Leim nicht mehr genug dran war. »Sie ist in ihn verliebt«, sagte sie.
    »Ih, kotz-kotz«, sagte Sabitha und hielt sich den Bauch. »Unmöglich. Die alte Johanna.«
    »Was hat er eigentlich über sie geschrieben?« »Nur, dass ich Respekt vor ihr haben soll, und dass es schade wäre, wenn sie weggeht, weil wir von Glück sagen können, sie zu haben, und dass er kein Zuhause für mich hat und Opa ein Mädchen nicht allein aufziehen kann und Blabla. Er hat geschrieben, sie wäre eine Dame. Er würde so was merken.« »Und daraufhin hat sie sich verliebt.«
    Der Brief blieb über Nacht bei Edith, damit Johanna nicht entdeckte, dass er nicht abgeschickt und mit Tesafilm zugeklebt worden war. Sie brachten ihn am nächsten Morgen zur Post.
    »Mal sehen, was er ihr zurückschreibt. Pass auf«, sagte Edith.
     
    Lange Zeit kam kein Brief. Und als einer kam, war er eine Enttäuschung. Sie öffneten ihn bei Edith über Dampf, fanden aber nichts für Johanna drin.
    Liebe Sabitha,
    Weihnachten dieses Jahr trifft mich ein bisschen knapp bei Kasse an, tut mir leid, dass ich dir nicht mehr als einen Zwei-Dollar-Schein schicken kann. Aber ich hoffe, du bist gesund und hast fröhliche Weihnachten und machst weiter deine Schularbeiten. Mir selber ist es gar nicht gut gegangen, ich habe eine Bronchitis, wie offenbar jeden Winter, aber diese hat mich zum ersten Mal vor Weihnachten ans Bett gefesselt. Wie du am Absender sehen kannst, bin ich umgezogen. Die Wohnung war in einem sehr lärmigen Haus, und zu viele Leute schauten vorbei und hofften auf eine Party. Das hier ist eine Pension, was mir ganz recht ist, da ich es nie mit dem Einkaufen und dem Kochen hatte.
    Fröhliche Weihnachten und alles Liebe
    Dad
    »Arme Johanna«, sagte Edith. »Ihr wird das Herz zerbrechen.«
    Sabitha sagte: »Na und?«
    »Es sei denn, wir tun’s«, sagte Edith.
    »Was?«
    »Ihr
antworten.«
    Sie mussten den Brief mit der Schreibmaschine schreiben, denn Johanna würde merken, dass die Handschrift nicht die von Sabithas Vater war. Aber das war nicht: schwierig. Bei Edith zu Hause stand eine auf einem Klapptisch im Vorderzimmer. Ihre Mutter hatte vor ihrer Heirat in einem Büro gearbeitet und verdiente sich manchmal immer noch ein bisschen Geld, indem sie für andere Leute Briefe schrieb, die amtlich aussehen sollten. Sie hatte Edith die Grundlagen des Tippens beigebracht, in der

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