Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)
Vorteils.
Sabitha redete andauernd über ihre Kusinen und das Leben im Sommerhaus. So sagte sie immer wieder: »Hör zu, das
muss
ich dir erzählen, das ist zum Kreischen …«, und dann ging es los, was Tante Roxanne zu Onkel Clark gesagt hatte, als sie sich gestritten hatten, wie Mary Jo mit offenem Verdeck und ohne Führerschein mit Starrs Auto gefahren war (wer war Starr?) und sie alle zu einem Drive-in mitgenommen hatte – aber was nun zum Kreischen oder der Witz an der Geschichte war, das wurde nie ganz klar.
Aber dafür nach einer Weile andere Dinge. Die wahren Abenteuer des Sommers. Die älteren Mädchen – darunter Sabitha – schliefen im Obergeschoss des Bootshauses. Manchmal machten sie Kitzelschlachten – sie taten sich alle gegen eine zusammen und kitzelten sie, bis sie um Gnade schrie und einwilligte, ihre Schlafanzughose herunterzuziehen und zu zeigen, ob sie schon Haare hatte. Sie erzählten sich Geschichten über Mädchen im Internat, die mit den Griffen von Haarbürsten und Zahnbürsten so Sachen machten.
Iggi-iggi.
Einmal gaben zwei Kusinen eine Vorstellung – die eine krabbelte auf die andere und tat so, als wäre sie ein Junge, und beide schlangen die Beine umeinander und keuchten und stöhnten und trieben es.
Onkel Clarks Schwester und ihr Mann waren auf ihrer Hochzeitsreise zu Besuch gekommen, und er war dabei gesehen worden, wie er die Hand in ihren Badeanzug steckte.
»Sie haben sich wirklich geliebt, sie waren Tag und Nacht zugange«, sagte Sabitha. Sie drückte ein Kissen an die Brust. »Wenn zwei sich so lieben, können sie nicht anders.«
Eine der Kusinen hatte es schon mit einem Jungen getan. Er war eine der Sommeraushilfen im Kurpark weiter unten an der Straße. Er ruderte sie in einem Boot hinaus und drohte damit, sie ins Wasser zu stoßen, bis sie ihm erlaubte, es zu tun. Es war also nicht ihre Schuld.
»Konnte sie nicht schwimmen?«, fragte Edith.
Sabitha stopfte sich das Kissen zwischen die Beine. »Uaah«, sagte sie. »Fühlt sich das gut an.«
Edith wusste alles über die süßen Qualen, die Sabitha durchmachte, aber sie war entsetzt, dass jemand sie aussprach. Sie selbst hatte große Angst davor. Schon vor Jahren, bevor sie wusste, was sie tat, war sie mit der Decke zwischen den Beinen eingeschlafen, und ihre Mutter hatte sie dabei entdeckt und ihr von einem Mädchen erzählt, das andauernd so etwas machte und schließlich deswegen operiert werden musste.
»Sie haben die Kleine mit kaltem Wasser übergossen, aber das hat sie nicht geheilt«, hatte ihre Mutter gesagt. »Also musste sie geschnitten werden.«
Sonst hätten sich ihre Organe verstopft, und sie hätte daran sterben können.
»Hör auf«, sagte sie zu Sabitha, aber Sabitha stöhnte trotzig und sagte: »Das ist nichts. So haben wir’s alle gemacht. Hast du kein Kissen?«
Edith stand auf und ging in die Küche und füllte ihr leeres Eiskaffeeglas mit kaltem Wasser. Als sie zurückkam, lag Sabitha entspannt auf dem Sofa, sie lachte und hatte das Kissen auf den Boden geworfen.
»Was hast du denn gedacht, was ich da tue?«, sagte sie. »Hast du nicht gewusst, dass ich nur Quatsch mache?«
»Ich hatte Durst«, sagte Edith.
»Du hast gerade ein ganzes Glas Eiskaffee getrunken.«
»Ich hatte Durst auf Wasser.«
»Mit dir kann man keinen Spaß haben.« Sabitha richtete sich auf. »Wenn du solchen Durst hast, warum trinkst du’s dann nicht?«
Sie saßen in verdrossenem Schweigen da, bis Sabitha in versöhnlichem, aber enttäuschtem Ton sagte: »Schreiben wir Johanna nicht noch einen Brief? Komm, wir schreiben ihr einen richtigen Liebesbrief.«
Edith hatte eigentlich kein großes Interesse mehr an den Briefen, aber es tat ihr wohl, dass Sabitha sich noch dafür interessierte. Das Gefühl, Macht über Sabitha zu haben, kehrte zurück, trotz Lake Simcoe und der Brüste. Seufzend, als täte sie es widerwillig, stand sie auf und nahm die Haube von der Schreibmaschine.
»Meine heiß geliebte Johanna …«, sagte Sabitha.
»Nein. Das ist zu eklig.«
»Sie findet das bestimmt nicht.«
»Doch, sie auch«, sagte Edith.
Sie überlegte, ob sie Sabitha etwas von der Gefahr verstopfter Organe sagen sollte. Sie entschied sich dagegen. Zum einen gehörte diese Information in eine bestimmte Kategorie von Warnungen ihrer Mutter, denen Edith skeptisch gegenüberstand: Sollte sie ihnen trauen oder nicht? Die Geschichte mit den Organen war nicht von so geringer Glaubwürdigkeit wie die Überzeugung, dass das
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