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Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Titel: Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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ein schiefer Blechzaun verbarg nur teilweise die Autowracks. Dann einen Hügel hinauf und vorbei am Tor zu einer Kiesgrube, die den Hügel in der Mitte aushöhlte.
    »Das sind sie. Das da vorn ist ihr Briefkasten«, verkündete Helen mit einiger Wichtigkeit, und als sie nah genug waren, las sie die Namen vor.
    »Matt und June Bergson. Das sind sie.«
    Zwei Hunde kamen bellend die kurze Auffahrt herunter. Einer war groß und schwarz und der andere klein und hellbraun, wie ein Welpe. Sie sprangen um die Reifen herum, und Neal hupte. Dann glitt noch ein Hund – dieser war schlauer und zielstrebiger, mit glattem Fell und bläulichen Flecken – aus dem langen Gras.
    Helen rief ihnen zu, sie sollten still sein, sich hinlegen, abhauen.
    »Vor denen brauchen Sie keine Angst zu haben, nur vor Pinto«, sagte sie. »Die andern beiden sind Feiglinge.«
    Neal hielt auf einem weiten, schwer definierbaren Platz, auf dem etwas Kies verteilt worden war. Auf einer Seite stand eine Scheune oder ein Geräteschuppen mit einem Blechdach, und schräg dahinter, am Rande eines Maisfelds, ein verlassenes Farmhaus, von dem die meisten Ziegelsteine entfernt worden waren, so dass dunkles Holz zum Vorschein kam. Das derzeit bewohnte Haus war ein Wohnwagen, hübsch mit einer Terrasse und einer Markise ausgestattet und mit einem Blumengarten hinter einem Miniaturzaun. Der Wohnwagen und sein Garten sahen gepflegt und ordentlich aus, während der Rest des Grundstücks mit Gegenständen übersät war, die vielleicht noch zu etwas nutze waren oder vielleicht auch nur herumlagen, um zu verrosten und zu zerfallen.
    Helen war aus dem Transporter gesprungen und scheuchte die Hunde. Aber sie kamen immer wieder zurück und umsprangen bellend das Auto, bis ein Mann aus dem Schuppen trat und sie rief. Jinny konnte seine Befehle und Schimpfworte nicht verstehen, aber die Hunde beruhigten sich.
    Sie setzte ihren Hut auf, den sie die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte.
    »Die geben bloß an«, sagte Helen.
    Neal stieg auch aus und redete energisch auf die Hunde ein. Der Mann aus dem Schuppen kam auf sie zu. Er trug ein violettes T-Shirt, das schweißnass war und an ihm klebte. Er war so dick, dass er Brüste hatte und sein Bauchnabel sich hervorstülpte wie der einer Hochschwangeren. Der Nabel thronte auf seinem Schwabbelbauch wie ein riesiges Nadelkissen.
    Neal ging ihm mit ausgestreckter Hand entgegen. Der Mann wischte sich seine Hand an seiner Arbeitshose ab, lachte und reichte sie Neal. Jinny konnte nicht hören, was sie sagten. Eine Frau kam aus dem Wohnwagen, machte die Miniaturgartentür auf und hinter sich wieder zu.
    »Lois hat glatt vergessen, dass sie meine Schuhe mitbringen sollte«, rief Helen ihr zu. »Ich hab sie extra angerufen, aber sie hat’s einfach vergessen, also hat Mr Lockyer mich hergefahren, damit ich sie hole.«
    Die Frau war auch dick, aber nicht so dick wie ihr Mann. Sie trug ein kurzes, weites Hawaiikleid in Rosa mit Azteken-Sonnen, und ihr Haar hatte goldblonde Strähnen. Sie bewegte sich mit gesetzter und gastfreundlicher Miene über den Kies. Neal wandte sich ihr zu und stellte sich vor, dann begleitete er sie zum Transporter und stellte Jinny vor.
    »Freut mich«, sagte die Frau. »Sie sind die Dame, die nicht wohlaufist?«
    »Geht schon«, sagte Jinny.
    »Wo Sie schon mal hier sind, kommen Sie besser rein. Aus der Hitze raus.«
    »Ach, wir wollten nur kurz vorbeischauen«, sagte Neal.
    Der Mann war näher gekommen. »Wir haben da drin eine Klimaanlage«, sagte er. Er inspizierte den Transporter, und sein Gesichtsausdruck war freundlich, aber abschätzig.
    »Wir sind nur gekommen, um die Schuhe abzuholen«, sagte Jinny.
    »Sie müssen mehr als das tun, wo Sie jetzt hier sind«, sagte die Frau – June – lachend, als sei die Vorstellung, die beiden kämen nicht herein, ein schlechter Witz. »Sie kommen rein und ruhen sich aus.«
    »Wir möchten Sie nicht beim Abendessen stören«, sagte Neal.
    »Wir sind schon fertig«, sagte Matt. »Wir essen früh.«
    »Aber es ist noch jede Menge Chili übrig«, sagte June. »Sie müssen reinkommen und uns helfen, dass dieses Chili alle wird.«
    Jinny sagte: »Vielen Dank, aber ich glaube, ich kann jetzt nichts essen. Bei solcher Hitze mag ich nichts essen.«
    »Dann trinken Sie stattdessen was«, sagte June. »Wir haben Gingerale, Cola. Wir haben Pfirsichgeist.«
    »Bier«, sagte Matt zu Neal. »Wie wär’s mit einem Blue?«
    Jinny winkte Neal zu sich ans Fenster.
    »Ich kann

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