Himmel und Hölle
meinen Stefan mal verwöhnen. Wir hätten so ein gemütliches Leben haben können, Stefan, die Maus in meinem Bauch und ich.
Aber nein.
Der Mann hat ja auch seinen Kopf. Und er machte nicht NUR Politik in Wendelstein. So nach dem Motto: Dann habe ich was Eigenes. Ausgerechnet jetzt bekam Stefan ein lukratives berufliches Angebot für Bayreuth. Es handelte sich zwar nicht um den Posten des Oberbürgermeisters, aber um eine ähnlich sensationelle Chance. Graf von Adelhausen berief meinen Mann in seine Geschäftsführung! Na, wie klingt das? Der Graf war ein Immobilien-Mogul. Seit über dreißig Jahren
hatte er mit der Planung, Errichtung und Vermietung von Gewerbebauten Erfolg. Heute gehören ihm Einkaufszentren, Büroanlagen, Wohnhäuser, Hotels, Tankstellen und Supermärkte. Er besitzt Firmen in Berlin, in Österreich, in Tschechien und in Kanada. Dieser Graf war einfach umwerfend, und alle hörten auf seinen Rat. Ein Mega-Typ. Er besaß ein Schloss und sogar ein eigenes Düsenflugzeug. Und ausgerechnet der wollte meinen Stefan an seiner Seite haben!
Wir waren zu einem offiziellen Antrittsbesuch in seine Gemächer geladen. Ich war zugegebenermaßen schwer beeindruckt, als ich die fantastische Sammlung von Wanduhren sah. »Ist das nicht eine chinoise Dekorform, Graf von Adelhausen?« Ich kannte mich aus, schließlich sammelte meine Mutter Porzellan von Bing und Gröndahl aus Kopenhagen. Interessiert beugte ich mich mit meinem schwangeren Bäuchlein über die riesige Standuhr und tat, als hätte ich mein ganzes Leben noch nichts anders gemacht. Der Graf war schwer beeindruckt.
»Wenn Ihr Mann in meine Firma kommt, bekommen Sie, gnädige Frau, diese Uhr. Als kleines Einstiegsgeschenk.« Fassungslos schaute die gnädige Frau zu dem Grafen hoch und sah seinem Mund beim Sprechen zu. Wohin hatte das Schicksal uns katapultiert? Was musste mein Stefan für einen Marktwert haben? Seine Zähigkeit hatte also Früchte getragen! Ich hätte vor Stolz und Ehrfurcht platzen können!
Beim anschließenden Diner im feinen Esszimmer war ich froh, mit dem Buch auf dem Kopf essen gelernt
zu haben. Auch war ich in meinem feinen Winterkostüm mit dem Schottenmuster und der Seidenbluse perfekt gekleidet. Die Augen des Grafen ruhten wohlwollend auf mir und meiner lieblichen Perlenkette im Dekolleté. Ich tafelte gekonnt meine Suppe, parlierte vornehm mit der Gräfin, verwechselte nicht das viele Besteck und gab Stefan heimlich Zeichen, das Brot nicht zu zerkrümeln. Als dann auch noch eine Harfenspielerin anfing, gar liebliche Melodeien zu zupfen, musste ich mich heimlich in den Arm kneifen: War das wirklich alles wahr, oder träumte ich das nur?
Wir prosteten uns mit köstlichem, eiskaltem Champagner zu:
»Auf unsere Zusammenarbeit, lieber Herr Kuchenmeister«, sagte der Graf. »Sie haben eine entzückende Frau Gemahlin!«
Tja. Das fand ich übrigens auch.
Stefan, dachte ich und funkelte meinen Mann über das Champagnerglas hinweg übermütig an. Du kannst dich überall mit mir sehen lassen. Wenn du Pirat geworden wärst, wäre ich die perfekte Piratenbraut. Aber das hier ist mir ehrlich gesagt lieber.
Der mächtige Graf hielt Wort. Nachdem mein Mann den Vertrag unterschrieben hatte, ließ mir der Graf die chinesische Uhr nach Hause schicken. Mein Stefan bekam ein Büro in Marmor mit großen Teppichen und einem Dutzend goldgerahmter Segelschiffe in Öl sowie einen nagelneuen silbernen Mercedes obendrauf. Mit CD-Player und dem neuesten Schnickschnack.
Einen Wagen, dessen Tür ganz vornehm »plopp!« machte, wenn man sie schloss. Beziehungsweise, wenn ein Bediensteter des Grafen sie von außen schloss. Stefan war jetzt ein superwichtiger Manager. Im Auftrag Seiner Majestät.
9
Stefans Mutter, die nette fränkische Schwiegermama aus Wendelstein, strickte bereits Ensembles in Rosa und Bleu und war bereit, das liebe Enkelkind rund um die Uhr zu hüten. Und auch Stefans Vater, der bei der Bundeswehr Ende der Fünfzigerjahre Bademeister gewesen war, plante schon in vollem Großvater-Glück das Seepferdchenabzeichen.
Ich arbeitete nach wie vor in der Klinik, stand stundenlang schwanger im OP und bastelte wie besessen an meinem Facharzt. Dazu brauchte ich neben unendlich viel Theorie an die hundert verschiedene OPs, die ich alle in Eigenregie vornehmen musste, um zu belegen, dass ich sie beherrschte. Ich biss die Zähne zusammen und schwächelte nicht ein einziges Mal. Im Gegenteil, ich war glücklich, und mein Bäuchlein rundete
Weitere Kostenlose Bücher