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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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hinweg an. Dasselbe Gefühl hatte ich damals gehabt, als er mir in London einen Heiratsantrag gemacht hatte. Ohne Kniefall, ohne Ring. Mit einer roten Rose. Einfach so, mit dem Bohrer in der einen und der Rose in der anderen Hand. »Willst du mich heiraten, Konstanze?«
    Und ich hatte gefühlt: Das ist er.
    Stefan legte seine Hand an meine Wange und sah mir in die Augen. »Du bist genau die Richtige für diesen Beruf. Erzähl mir, was da auf dich zukommen wird. Worauf freust du dich am meisten?«
    »Die Gynäkologie ist ein weites Feld«, schwärmte ich, während der Honig meinen Insulinspiegel spürbar anhob. Ich fühlte mich wie unter Glücksdrogen. »Natürlich
darf ich auch demnächst schon die ein oder andere kleine Operation selbst machen!«
    »Echt? Als A-I-P? Da lassen sie dich schon ans Messer?«
    »Nur Bagatellen«, wiegelte ich bescheiden ab. »Kürettagen zum Beispiel, Ausschabungen. Zur Gewebeentnahme zum Beispiel.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber immerhin!«
    »Und was noch?«, fragte Stefan, während er so aufmerksam war, mir Kaffee nachzuschenken.
    »Also, zuerst kommen mal die Proktoskopien …«
    »Prokto…?
    »Enddarmspiegelungen. Durch den Popo. Oder auch Hysteroskopien.«
    »Hystero-was? Hat das was mit Hysterie zu tun?«
    »Stell dir vor: Das Wort Gebärmutter heißt im Griechischen hystera.«
    Stefan grinste. »Die Hysterie ist weiblich. Wusst ich’s doch!«
    Ich überhörte diese laienhafte Bemerkung geflissentlich. »Jetzt beweise ich dir mal, was ich in den zweihundert endlosen Nachtdiensten und zahllosen Operationen mit Professor Aigner bereits gelernt habe.« Ich stand auf und begann, mit strenger Miene zu dozieren: »Da wären einmal die plastische Rekonstruktion entfernter Organe wie Darm, Blase oder Vulva. Heute, mein lieber Schatz, stehen Urethrozystoskopien auf meinem Arbeitsplan. Ich kenne mich aus mit problematischen Rezidiv-Descensus-Fällen!«
    Stefan klatschte beeindruckt in die Hände. »Du hast
ja echt deine Hausaufgaben gemacht! Und ich dachte, du und der Norbert habt die ganze Nacht Karten gespielt.«
    Ich rollte die Morgenzeitung zusammen und gab ihm damit einen gezielten Klaps auf den Kopf.
    »Nein, Konstanze, du weißt, wie sehr ich dich dafür bewundere und verehre. Trotzdem. Das ganze Ausgeschabe und Weggeschneide. Und dann noch dieses … brrrr … Scheidenersatzteil …« Er griff beherzt zu einem frischen Brötchen und strich fingerdick Butter darauf. »Mich würden ja mehr die Geburten interessieren.« Versonnen rührte er in seiner Tasse. »So einen kleinen Spatz auf die Welt holen, das muss toll sein.« Seine Fantasie lief bereits auf Hochtouren, das konnte man sehen. Er träumte schon davon, mit den Söhnen ins Fußballstadion zu gehen und mit den Töchtern Sommerkleidchen zu kaufen.
    »Ja, klar«, gab ich ihm recht. »Das ist die wunderbarste Sache der Welt. Aber natürlich werde ich nicht nur im OP stehen, sondern auch auf der Station Dienst machen.«
    Stefan verzog das Gesicht.
    »Dienst machen klingt nach Straßenbahnschaffner«, wandte er ein. »Was genau bedeutet ›Dienst machen‹ in einer Frauenklinik?«
    »Ich werde als Stationsärztin bei den Patientinnen sein«, verbesserte ich mich. »Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.«
    »Was hast du da zu tun?«
    »Eine Patientin auf die OP vorbereiten, zum Beispiel.
Die Ärzte stehen im OP und sind auf die richtige Diagnose angewiesen. Wenn eine Patientin wegen Mamakarzinom, also Brustkrebs, kommt, muss vorher abgeklärt werden, ob sonst alles in Ordnung ist.«
    »Aha!«, sagte Stefan und bestrich eine Buttersemmel dick mit Aprikosenmarmelade. »Sehr interessant.«
    »Nicht, dass sie einen Herzfehler hat und dann bei der Narkose blau wird«, warf ich locker ein. »Oder es hat sich auch Gebärmutterhalskrebs gebildet.« Ich zeigte mit der Messerspitze auf ihn. »Mein Spezialgebiet übrigens. Es gibt tausend Dinge, die man im Vorfeld abchecken muss.«
    »Das klingt alles wahnsinnig technisch«, sagte Stefan. »Aber was ist hiermit?« Er zeigte auf sein Herz, während er mit Appetit die Semmel verschlang. »Traust du dir das zu? Einer Frau beizustehen, bei solchen Grenzerfahrungen?«
    »Es ist meine Aufgabe, den Patientinnen zu sagen: Bei uns bist du genau an der richtigen Stelle. Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut.«
    »Ihr Ärzte seid deren große Hoffnung«, sagte Stefan rau. »Weißt du, was du da für eine Verantwortung hast?«
    Mein Lächeln war so verkrampft, dass es wehtat. Stefan

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