Himmel und Hölle
sogar verdammt … schmerzhafte Wehen!
Unauffällig erhöhte ich die Dosis des Wehenhemmers, indem ich ein wenig am Infusomaten drehte.
Wozu denn eine Schwester rufen. Die haben doch alle zu tun.
Keine Panik. Das schaffe ich. Wenn ich jetzt drei Monate liegen muss, dann werde ich diese Zeit sinnvoll nutzen. Es war halt so. Mein Baby forderte seinen Tribut. Ich sollte mich gefälligst auf das neue Leben konzentrieren. Und nicht mal so nebenbei ein Kind kriegen.
»Stefan?«, rief ich über Handy meinen Mann an, der gerade eine wichtige Besprechung im Anlieferbereich eines Supermarkts führte. Ich sah ihn direkt vor mir, mit seinem gelben Helm auf dem Kopf und dem Walkie-Talkie in der Hand.
»Wie fändest du es, wenn ich jetzt endlich meine Brustkrebsstudie fertigstelle?«
»Prima Idee!«, rief Stefan. Ich hörte ihn knappe Anweisungen geben: »Nein, neben die Autobahnausfahrt kommt ein Kreisverkehr, eine Ampelanlage verpestet nur wieder die Umwelt. Hier gehen Mütter mit kleinen Kindern einkaufen, denken Sie doch mal mit! Und hier die Lärmschutzwand. Worüber schreibst du noch gleich?«
»Ich stelle die Diagnose-, Klassifikations- und Therapiedaten aller Brustkrebsoperationen aus den letzten zwanzig Jahren zusammen und werte sie aus.«
»Liebes, du wolltest dich doch schon immer wissenschaftlich mit Krebs beschäftigen. Siehst du, jetzt ist der passende Zeitpunkt gekommen. Sehr gut, du machst das! … Die Parkplätze müssen überdacht werden.«
»Die Forschung interessiert mich! Du weißt doch,
dass ich seit Langem davon träume, einen Wirkstoff zu finden, der vor Krebs schützt. Dann könnten wir Frauen mit einem kleinen Pieks vor diesem Martyrium bewahren.«
»Freunde, denkt doch mal mit! Was nützt denn die Tankstelle HINTER der Autobahnauffahrt? Nein, die Tankstelle muss weiter nach vorn! Durch den Kreisverkehr kann der Gegenverkehr doch auch … Konstanze? Ich bringe dir die nötige Fachliteratur ans Bett! Schreib alles auf, was du brauchst! Die Krebsforschung ist genau dein Ding! … Ja, hören Sie denn nicht zu? Die Altglascontainer können doch ebenso gut hinter dem Discounter neben der Anlieferung stehen, und zwar genau hier, an der Lärmschutzwand. Kommen Sie mal mit!« Damit war die Leitung unterbrochen. Stefan marschierte wohl gerade in ein Funkloch.
Als er einige Stunden später eine ganze Kiste Fachliteratur, ein Buch meiner Lieblingsautorin (die Sie kennen) und die Bunte neben meinem Bett platzierte, hätte ich ihn küssen können. Er wusste wie immer im Leben, dass es die richtige Mischung macht.
Von nun an brachte mich jeder Tag im Bett meinem Doktorhut näher.
»Der Muttermund ist aber kurz!«
Sabine, meine Kollegin und Freundin, mit der ich zusammen bei Professor Aigner studiert hatte, untersuchte mich stirnrunzelnd und schüttelte den Kopf.
»Außerdem wären das um ein Haar Zwillinge geworden.«
Konzentriert schob sie den Ultraschallkopf auf meinem Bauch herum. »Schau dir das an …«
Die Hitze stand im Zimmer, außer dem surrenden Geräusch eines Ventilators war nichts zu hören.
»Nein, echt?« Neugierig setzte ich mich im Bett auf. »Es sind aber jetzt keine Zwillinge drin, oder?«
»Ein Kind lebt, das andere ist schon seit längerer Zeit abgestorben.«
»Schade. Ich hätte gern Zwillinge gehabt.«
»Was nicht ist, kann ja beim nächsten Mal noch werden«, witzelte Sabine und strich sich mit dem Handrücken eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. »Du weißt ja. Wenn die Veranlagung erst mal da ist …« Seufzend trat Sabine ans Bett und legte den Ultraschallkopf zur Seite. »Hier, wisch dich ab.« Sie reichte mir ein paar Kleenextücher und ging dann zwei Schritte rüber zum Waschbecken, um sich die Hände zu waschen.
»Mensch, bin ich froh, wenn die Maus endlich auf der Welt ist!«, stöhnte ich, während ich meinen Ballon von Bauch mit dem Papiertuch sauber wischte.
Natürlich wussten wir inzwischen, dass es ein Mädchen werden würde.
Ich freute mich auch riesig darüber. Aber es war brütend heißer August! Wie gern wäre ich jetzt ins Freibad gegangen und hätte meine zweitausend Meter geschwommen! Oder ich hätte das Kinderzimmer liebevoll eingerichtet! Das, was andere Hochschwangere so taten!
Das war wirklich kein Spaß, hier seit Wochen herumzuliegen!
Noch dazu auf meiner eigenen Station. Zwar arbeitete ich so gut wie möglich an meiner Krebsstudie, aber im Liegen fand das Ganze natürlich unter erschwerten Bedingungen statt. Ich stemmte die
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