Himmel und Hölle
Mithilfe eines kleinen, unkomplizierten Routineeingriffs. Ihr Mann musste einwilligen, sonst hätten wir uns strafbar gemacht.
Dann kam einmal eine Schülerin, die war siebzehn.
»Ich habe solche Angst, dass ich schwanger bin«, presste sie zwischen den Lippen hervor. Sie wusste gar nicht, wo sie hinschauen sollte vor lauter Peinlichkeit. Ich hingegen schon: auf ihren Bauch. Der wölbte sich ganz eindeutig. Das Mädel war in der 33. Woche! Ich machte sofort einen Ultraschall, aber es war kein Fruchtwasser zu sehen! Alle Daten waren unterirdisch schlecht. Das Kind musste sofort geholt werden! In Panik veranlasste ich sofort einen Notkaiserschnitt. Wir konnten das Kind gerade noch retten. Am selben Abend hielt das Mädchen ihr winziges Töchterchen im Arm.
Die unfreiwillige Oma, die ich dann anrief, kam entsetzt herbeigeeilt: »Das Mädchen hatte schon länger solche Bauchschmerzen und war so blass, Frau Doktor!
Wir dachten, das liegt an der Pubertät oder am Liebeskummer, aber dass es schwanger war, haben wir alle nicht geahnt! Von wem denn bloß?«
Tja. Das konnte ich ihr auch nicht sagen. Ich sauste schon wieder zur nächsten Patientin, und die Kitteltasche riss noch ein Stückchen weiter ein.
Übrigens hatten wir auch zwei männliche Patienten mit einem Mammakarzinom, also Brustkrebs. So etwas gibt es zwar ganz selten, aber: Nichts ist unmöglich!
Diese beiden Männer lagen bei uns auf der gynäkologischen Station. Professor Aigner entfernte ihnen das Karzinom. Es wäre albern zu denken, die Männer hätten auf der Frauenstation irgendwelche Flirtversuche unternommen - sei es nun mit anderen Patientinnen oder mit jungen, hübschen Ärztinnen. So etwas passiert nur im Film. In Wirklichkeit waren die beiden armen Kerle froh, dass sie noch am Leben waren. Genau wie brustamputierte Frauen mussten sie eine Chemo machen, bekamen eine Glatze und kotzten sich die Seele aus dem Leib. Aber sie wurden gerettet.
Abends fuhr ich dann völlig kaputt zu meinem Stefan.
Nach Wendelstein. Wo er im Rathaus Politik gemacht hatte bis zum Umfallen.
Und schlief in seinen Armen ein.
Unsere Maus meldete sich an Weihnachten an.
Stefan wünschte sich unbedingt Kinder, das gehörte für ihn einfach dazu. Alle seine politischen Bemühungen beruhten auf einer gerechten Familienpolitik. Seine
Parole lautete stets: »Kinderwagen statt Luxusschlitten!« Er träumte von einer großen Familie, während ich erst mal in meinem Beruf Fuß fassen wollte. Eine ungeplante Schwangerschaft würde mir, der angehenden Gynäkologin, ganz bestimmt nicht passieren. Dachte ich.
Ich war inzwischen neunundzwanzig, also, wie auch meine Eltern fanden, im absolut gebärfähigen Alter. Aber nicht ohne meinen Facharzt-Titel! Der ging vor! Gegen eine Schwangerschaft wehrte ich mich also beharrlich, schließlich wollte ich meinen Facharzt nicht nur irgendwie, sondern brillant machen. Eine erstklassige Gynäkologin wollte ich werden! Doch meine Hormone scherten sich einen feuchten Kehricht um meine Pläne.
Der Schwangerschaftstest, den ich mir wie nebenbei aus unseren Arzneivorräten beschafft hatte und mit dem ich mal eben unauffällig auf dem Klo verschwunden war, war positiv. Und die Blutprobe, die ich mir mit klopfendem Herzen selbst abnahm, auch. Wahnsinn!
Ein bisschen peinlich war mir jetzt allerdings der Weg zu Professor Aigner. Kaum hatte ich den begehrten Ausbildungsplatz, war ich auch schon schwanger! Auf dem halben Weg zum Facharzt. Karrieretechnisch gesehen ein echtes Eigentor.
Hoffentlich nahm er das nicht persönlich …
»Frau Kuchenmeister, ich freue mich mit Ihnen«, sagte der große Professor und lächelte mich an. »Gewerkschaftlich dürfen Sie jetzt nur noch acht bis zehn
Stunden am Tag arbeiten. Aber Sie werden mir sicher bis vier Wochen vor der Geburt zur Verfügung stehen. Ich zähle auf Sie!«
»Aber natürlich, Chef«, rief ich fröhlich. »Ich gebe mein Bestes, Sie können sich auf mich verlassen!«
Innerlich jubelte ich: Hurra, ich muss keine Nachtdienste mehr machen! Danke, du Baby in meinem Bauch! Ich fühlte mich so glücklich und unbeschwert wie noch nie in meinem Leben.
Endlich hatte ich mehr Zeit. Es war unvorstellbar: Ich durfte um achtzehn Uhr nach Hause gehen! Was für ein ungewohnter Luxus! Sogar die Geschäfte hatten noch geöffnet, wenn ich aus dem Krankenhaus auf die Straße trat.
Ich bummelte durch die Supermärkte, kaufte frische Lebensmittel und kochte uns ein schönes Abendessen. Endlich konnte ich
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