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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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nächstes Jahr.«
    »Wer weiß, was nächstes Jahr wieder los ist in unserem chaotischen Leben …« Tränen schossen mir aus den Augen. Ich wischte sie wütend weg.
    »Jetzt gib endlich Ruhe, verdammt noch mal! Oder soll ich den Aigner holen?«
    Das kam natürlich einer Todesdrohung nahe. Der Aigner würde mich zur Schnecke machen. Für solcherlei Firlefanz wie Bayreuth und den Fliegenden Holländer hatte der keinerlei Verständnis.
    Beleidigt drehte ich mich auf die Seite. Das wochenlange Herumliegen auf meiner eigenen Station hatte mich zermürbt. Ich wollte aufspringen, arbeiten, irgendetwas TUN! Jeden Handgriff, den die Schwestern machten, wusste ich im Voraus, jedes Wort, das die Ärzte sagten! Ich kam mir vor wie eine Marionette in meinem eigenen Theater.
     
    Endlich klingelte mal wieder das Telefon. Es hatte sich schon seit Stunden, Quatsch, seit TAGEN tot gestellt. Bestimmt Stefan. Dir werde ich jetzt mal sagen, wie blöd ich das finde, dass du mich hier vor Langeweile sterben lässt, dachte ich. Du könntest mir wenigstens ein paar unterhaltsame Bücher bringen. Oder Blumen. Oder saure Gurken. Oder meinetwegen den Ring von Wagner. Auf CD.
    »Kuchenmeister?«
    »Verkehrspolizei. Rettungsleitstelle Bayreuth. Frau Kuchenmeister?«
    »Ja?«, fragte ich, auf eine kurzweilige Unterhaltung
eingestellt. Innerlich kicherte ich. Das konnte nur ein Schabernack sein. Nur zu, ihr lieben Mit-Doktoranden. Vertreibt eurer Studienkollegin ein bisschen die Zeit. Ein netter Scherz, den ihr da vorhabt!
    »Ihr Mann hatte einen schweren Verkehrsunfall.«
    »Aha«, sagte ich gelassen. »Da hat er sich ja was einfallen lassen.«
    »Er hat sich auf der Autobahn zwischen Bayreuth und Berlin fünfmal überschlagen.«
    »Er ist kein Freund von halben Sachen«, kicherte ich heiter. »Was er macht, das macht er richtig.«
    Noch immer dachte ich, jemand würde sich einen Scherz mit mir erlauben. Die Kollegen von unten, die sich gerade zwischen zwei OPs langweilten oder sauer waren, dass Konstanze nicht mit anpackte.
    »Er ist mit über zweihundert über die Autobahn gerast und hat am Bindlacher Berg die Kontrolle über das Fahrzeug verloren.«
    »Klar«, sagte ich müde. »Wir haben ja auch Karten für den Fliegenden Holländer. Und sitzen neben Thomas Gottschalk. Aber den kann er sich abschminken. Also den Holländer. Und den Gottschalk.«
    Und jetzt sag schon, wer du bist und was das soll mit dem Späßchen, dachte ich. Eigentlich ist das gar nicht witzig, einer Risiko-Schwangeren solche Dinge zu erzählen, nur damit sie aufhört, sich zu langweilen.
    »Er ist kurz vor der dreißig Meter tiefen Talbrücke auf der Autobahn A9 vor Bad Berneck in den Graben gerast.«

    »Sehen Sie?! Das ist wieder mal typisch Stefan. Haargenau kalkuliert.«
    »Der Rettungsarzt hat ihn auf innere Blutungen hin untersucht.«
    »Und?«, fragte ich gespannt. Klar war das ein Kommilitone! »Welche Blutgruppe hat er denn?«
    »Er kann seine Arme und Beine kaum bewegen.«
    »Ja, glauben Sie, ich etwa?«, fragte ich mühsam beherrscht.
    »Bei dem Unfall hat er den Ehering verloren«, fuhr der gute Mann am anderen Ende der Leitung fort. »Ihr Mann ist unter Schock aus dem Auto gekrochen und hat danach gesucht.«
    »Das will ich ihm auch geraten haben!«
    So, und nun sag, wer du bist, und hör auf mit deinen makaberen Späßen! Und komm rauf und bring mir einen Wackelpudding mit!
    »Der Rettungshubschrauber hat ihn in die Unfallklinik nach Bayreuth gebracht.«
    »Dabei wäre hier noch ein Bett frei. Er wäre noch nicht mal der erste Mann auf der Gynäkologie! Wir hatten schon zwei, aber keiner hat Frau Dr. Kuchenmeister geliebt.« Ich fand mich ziemlich schlagfertig und begriff die Tragweite seiner Worte immer noch nicht.
    »Hallo? Frau Kuchenmeister? Sind Sie ansprechbar?«
    »Natürlich! Habe ich irgendwas im Mund, meine Bettdecke oder so?«
    Der Verkehrspolizist hatte wohl einen anderen Eindruck. Plötzlich fasste er sich kurz.

    »Wir rufen später wieder an!«
    Ich starrte an die Decke.
    Das war ein blöder Scherz.
    Jetzt sollte der Kerl aber dringend wieder anrufen und lachend sagen: »April, April!« Obwohl es ja September war. Der dritte, um genau zu sein. Oder aber an die Tür klopfen, mit einer großen Portion Eis mit Sahne, und sagen: »Konstanze, du bist echt hart im Nehmen!«
    Aber nichts rührte sich.
    Das WAR doch ein Scherz?
    Keine Panik. Das war NATÜRLICH ein Scherz. Wenn auch ein schlechter.
    Oder war das etwa …? Plötzlich stellten sich mir

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