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Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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anzurufen. Dann wählte ich die zweite Nummer. Das Telefon klingelte mehrmals. Offensichtlich hatten die Trembleys keinen Anrufbeantworter. Ich ließ es ein paarmal klingeln und legte dann auf. Ich fuhr weiter.
    Es war fast ein Uhr morgens, als ich den Superschornstein in der Ferne aufragen sah. Er war über 360   Meter hoch, der höchste freistehende Schornstein der Welt, mit Lampen an seiner Spitze, damit die Flugzeuge nicht gegen ihn flogen. Ich fuhr zwischen den großen Schlackenbergen durch, die den westlichen Teil der Stadt beherrschten. In dem ungewissen Licht wirkte alles wie auf der Oberfläche des Mondes. Ich hatte gelesen, daß Sudbury sich langsam mache – es sei nicht mehr nur ein Riesenloch in der Erde, aber es sah immer noch aus, als sei es im Herzen eine Stadt des Bergbaus. Die meisten neuen Häuser waren im Norden errichtet worden, oben am See, aber hier unten am Highway überwogen die Arbeiterviertel mit kleinen Häusern und einer Kneipe an jeder Ecke. Ich verließ den Highway, fuhr an einem großen Eisstadion vorbei, dann von dieser Straße wieder auf eine andere und ließ jeden Verkehr hinter mir.
    Ich rollte durch ein Wohngebiet, vorbei an dunklen stillen Häusern. Ich sah zwei Männer auf dem Bürgersteig. Sie öffneten die Tür zu einer Kneipe, das Licht warf einen langen Fächer auf die Straße und war dann wieder weg, als sie eingetreten waren.
    Ich hielt eine Minute lang an, schaltete das Deckenlicht ein und sah auf die Karten. Das Haus der Trembleys lag am nächsten. Ich knipste das Licht aus und fuhr weiter nach Süden auf der Suche nach einer Straße, die rechts abging. Eine Straßenlaterne brannte nicht, und ich hätte sie fast verpaßt.
    Als ich einbog, begann ich nach den Hausnummern zu suchen. Es war nun nach halb zwei. Die Straße war verlassen.
    Zweihundertzwölf, zweihundertvierzehn, zweihundertsechzehn.
    Vor dem Haus hielt ich an und stieg aus. Die Luft war kalt und hatte einen leicht metallischen Geschmack. Hier herum gewöhnte man sich vermutlich daran.
    Das Haus war dunkel. Ich ging zur Eingangstür. Warum zum Teufel auch nicht, nachdem ich bis hierher gefahren war. Ein Hund bellte in irgendjemandes Hinterhof, ein paar Häuser weiter.
    Die Haustür stand ein wenig offen, ein paar Zentimeter. Ich klopfte behutsam.
    Nichts.
    »Hallo«, sagte ich. »Ist jemand zu Hause?«
    Schweigen.
    Warum stand die Tür offen? Ich stieß dagegen. Sie öffnete sich einige Zentimeter weiter. Drinnen brannte ein Licht, hinten im Haus.
    Ich roch Benzin. Und noch etwas. Einen Geruch, den ich kannte.
    In diesem Moment hätte ich gehen sollen. Ich hätte auf dem Absatz kehrtmachen sollen, in meinen Laster steigen und den ganzen Weg nach Hause zurückfahren sollen.
    Ich tat es nicht. Ich ging ins Haus. Ein kleiner Tisch lag umgestoßen auf der Seite. Eine Pflanze lag umgestürzt auf der Seite, Blumenerde überall auf dem Teppich. Ich ging durch den Raum und sah ein winziges rotes Licht in der Küche. Eine Kaffeemaschine stand da und zählte die Stunden, als wäre alles im Hause still und normal. Meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Ein Flur. Ein schmaler Streifen Licht unter einer Tür.
    Der Geruch.
    Wo bist du, Vinnie? Bist du hier?
    Ich ging den Flur entlang. Still und normal.
    Vinnie, bitte.
    An der Tür blieb ich stehen. Der Geruch, der Geruch.
    Ich lehnte meine Schulter gegen die Tür und schob sie langsam auf. Sie öffnete sich ein paar Zentimeter und blieb dann hängen. Ich drückte ein wenig fester und spürte, wie etwas nachgab. Etwas Schweres, das von innen gegen die Tür gelehnt war.
    Der Spalt war gerade groß genug, daß ich den Kopf durch die Tür stecken konnte. Ich wußte, was ich in dem Raum sehen würde. In der Sekunde, in der ich an die Haustür getreten war, in der Sekunde, da der Geruch mich getroffen hatte wie ein Schlag, wußte ich, was ich finden würde. Wieso bin ich dann reingegangen?
    »Du guter Gott«, sagte ich, als ich durch den Spalt sah. »Nein, bitte nicht.« Wenn ich gedacht hatte, ich wäre auf den Anblick vorbereitet, hatte ich falsch gelegen. Nicht in einer Million Jahren.
    Es war ein Badezimmer. Die Lampen waren an. Es war so hell, daß es mir in den Augen wehtat, nach dem dunklen Flur die grausame Weiße von all dem, der obszöne Anblick des verbrannten Fleisches auf dem weißen weißen Boden.
    Ich sah die Tapete, halb von der Wand gebrannt, wie sie in Streifen runterhing. Die Schmauchspuren an der Decke. Die Reste von Vorhängen, dünn wie Spinnweben.

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