Himmelreich
Tischchen kamen noch Kleenextücher dazu, und unter der Kleenexschachtel lag der zusammengefaltete Computerausdruck der Gynäkologin, der ihren Monatszyklus beschrieb. (Ich hatte ihn ebenfalls auf meinem Computer gespeichert.) Die Vorhänge waren zugezogen, um das Licht der untergehenden Sonne einigermaßen abzuschirmen, aber das nervöse Flimmern hinter den Vorhängen sprang auf die Tapeten des Schlafzimmers und von dort auf das streng gespannte Bettlaken über. Überhaupt waren die Laken an diesen Tagen immer frisch gewaschen, die Bügelfalten schossen in geraden Winkeln über die weiße Ebene. Geruch von Waschpulver. Geruch von Hygiene. Die Telefonkabel hatte sie herausgezogen, damit uns kein Anruf stören konnte, die Kabel lagen am Boden.
»Komm schon«, sagte sie. Sie starrte in den Propeller, der sich lautlos über ihr drehte.
In solchen Momenten wäre ich am liebsten ins Büro zurückgefahren, um die Nacht auf dem Fußboden unter dem Schreibtisch zu verbringen. Ich wusch meine Hände, ausgiebiger als sonst, trocknete sie ab, stieß meine Schuhe von mir und hob sie ins Schuhgestell, nicht ohne die anderen Schuhe ein bißchen zur Seite zu schieben, dann nahm ich die New York Times aus meiner Mappe und legte sie auf den Tisch. Ich wollte unbedingt noch einen Artikel fertiglesen, den ich im Taxi begonnen hatte (»Bright Future for Private Banking, Experts Say«), aber erst nach dem Sex.
»Haben wir heute noch Pläne?« fragte ich.
Mein Gesicht im Spiegel, während ich die Hände noch einmal wusch und noch einmal trocknete.
»Nur die Psychologin. Um acht.«
»Gab es denn keinen anderen Termin?« fragte ich, noch immer mit dem Handtuch beschäftigt.
»Philip, bis dann sollten wir durch sein.«
Ich zog mich aus. Hemd und Hosen faltete ich für späteren Gebrauch zusammen und legte alles auf den Stuhl. Dann zog ich auch das Unterhemd und die Unterhosen aus und zuletzt die Socken. Für einen Moment überlegte ich, ob ich duschen sollte, und ich entschloß mich zu duschen, auch wenn es Zeit kosten würde.
Ich roch nach amerikanischem Shower Gel - Active Body Gel Athletic.
Mein Körper im Spiegel.
Ich kam mir alt vor.
Ich schlüpfte ins Bett.
Jetzt lag ich auf dem Rücken, wie sie, ich lag neben ihr, die Arme eng neben dem Körper, die Härchen meines linken Handrückens berührten ihre Haut, und die einzige Faszination schien der Deckenventilator zu sein, der still über uns rotierte und zu dem wir gemeinsam hochstarrten.
Es fiel mir ein, daß ich meine IWC noch trug. Ich zog sie aus und legte sie zwischen Wecker und Wasserglas.
Meine Hände rochen noch immer nach Seife. Alles war bereit.
Der Deckenventilator arbeitete pausenlos. Stille.
Vakuum zwischen den Beinen.
Ich entschuldigte mich, obwohl es unmenschlich war, fand ich, diese Laboratmosphäre. Ich kam mir tatsächlich wie eine Labormaus vor.
»Nur in deinem Kopf«, konnte Anna dann sagen.
Wir standen dann beide wieder auf, gleichzeitig, sie auf ihrer, ich auf meiner Bettseite, bemüht, so zu tun, als wäre nichts geschehen. Und es war ja nichts geschehen. Wir zogen unsere Kleider an. Ich setzte mich an den Küchentisch und las zum Beispiel den New-York-Times-Artikel zu Ende, während Anna eine neue Stehlampe aus der Verpackung schälte und zusammenschraubte.
Die Psychologin, eine stattliche Dame der Upper West Side mit einem Haarschopf voller kleiner, kräftiger, silbriger Locken, der ausgereicht hätte, um für Stahlwolle zu werben, und die unter anderem dafür bekannt war, steinreiche Holocaust-Überlebende zu therapieren, meinte, wir sollten uns nicht unter Druck setzen. Unter Druck würde es niemals klappen. Sie empfahl uns, während dem Sex auf keinen Fall ans Kindermachen zu denken. Wir sollten uns vergnügen im Bett, jawohl vergnügen. Für diesen Ratschlag bezahlten wir $ 1500.
Ich bin kein Mann, der auf Knopfdruck lieben kann.
Außerhalb der relevanten Tage klappte es fast immer - nur zählte es dann nicht.
Wenn sich ihre Tage näherten, wurde sie ganz still und beobachtete alles an ihrem Körper und an ihren Gefühlen und interpretierte die winzigste Veränderung als Indiz für eine Schwangerschaft. Einmal redete sie sich ein, daß sich ihre Brüste vergrößert hätten, und als sie mich fragte, wußte ich nicht, was sagen. Ein andermal, nach einem Abendessen im Le Cirque mußte sie erbrechen und war ganz froh, daß sie erbrechen mußte. Die Übelkeit war ihr Triumph. Dabei fühlte auch ich mich elend, als wir das Restaurant
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