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Himmels-Taler

Titel: Himmels-Taler Kostenlos Bücher Online Lesen
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schreiben, damit du eine ebenso ausgezeichnete andere Stellung findest. Ich rate dir, bei König Roogna in Dienst zu gehen, der sowohl ein guter Mann als auch ein ausgezeichneter Magier ist. Er ist unverheiratet, und sein neues Schloß wird jemanden brauchen, der sich um alles kümmert. Geh noch heute, damit du den Auswirkungen dieses Fluchs entkommst.«
    »Aber Tapis…«, protestierte Millie.
    »Und nimm den Webteppich mit, der in deinem Zimmer hängt. Den wollte ich dir ohnehin schenken. Er wird dir helfen, ohne Schwierigkeiten von hier fortzukommen. Ich segne dich, Mädchen; du bist innerlich wie äußerlich schön und wirst sicherlich einmal einen guten Mann schier wahnsinnig vor Glück machen. Lebe wohl; viel Zeit hast du nicht, dem Fluch zu entgehen.«
    Entsetzt machte Millie kehrt und schritt langsam auf das Haus zu.
    »Und du, Prinzessin«, sagte die Zauberin. »Ich bedaure, daß ich dir nur eine unvollendete Bettdecke überlassen kann. Du mußt noch in dieser Stunde mit deinem Schlaf beginnen, wenn du entkommen willst; die böse Magie verdichtet sich bereits. Wenn du wieder aufwachst, hat sie sich schon lange verflüchtigt, du wirst also nicht unter ihr zu leiden haben. Begeben wir uns jetzt zu deinem Sarg und erledigen wir die Sache.«
    »Wie du wünschst, Tapis«, willigte die Prinzessin erschüttert ein.
    Schleppend begaben sie sich zum Haus. »Und du, Electra«, fuhr die Zauberin fort, »es tut mir leid, daß ich in diesem Augenblick deiner Dienste nicht entbehren kann; du mußt mir dabei helfen, den Deckel auf den Sarg zu heben, um die Prinzessin zu schützen. Dann werde ich den Himmelstaler nehmen und ihn benutzen, denn er ist fast fertiggestellt, und du darfst gehen. Der Webteppich in deiner Hütte gehört dir; benutze ihn und nimm ihn mit, und kehre niemals an diesen verfluchten Ort zurück.«
    Electra erwiderte nichts, sondern weinte statt dessen. Wie schrecklich, daß dieses wundervolle Leben so abrupt enden mußte!
    Sie holten die unvollendete Bettdecke und gingen in das Zimmer, wo der Sarg der Prinzessin lag. Dieser Raum bestand aus Stein, um aller Unbill zu widerstehen, denn er sollte tausend Jahre existieren. Der Sarg selbst würde sofort, nachdem er versiegelt war, von Xanth nach Mundania versinken, so daß keine Magie ihn vor der Zeit erreichen konnte. Die Prinzessin hatte ihnen alles erklärt: Zu dem Sarg gehörte ein Bündel Präzisionsmagie, was garantierte, daß ihr Körper genauso erhalten blieb, wie er jetzt war. Nur ein junger, stattlicher, unverheirateter Prinz würde den Sarg finden und öffnen können, und nur sein Kuß konnte sie erwecken. Das würde in tausend Jahren geschehen; später würde der Zauber verblassen. Das war der einzige Haken an der Sache: Wenn dem Prinzen irgend etwas zustoßen sollte, würde sie sich auflösen, denn die Magie konnte sie nicht gänzlich vor dem Verlust ihrer Lebenskraft bewahren. Aber der Prinz würde kommen, dafür würde der Zauber sorgen. Sie würde sofort aufwachen und bei vollem Bewußtsein sein. Dann würde sie den Prinzen heiraten und bis ans Ende der Zeiten glücklich leben.
    »Aber was, wenn der Prinz dich nicht heiraten will?« hatte Electra in kindlicher Neugier gefragt.
    »Das ist undenkbar!« hatte die Prinzessin erwidert. »Er muß mich heiraten, denn das ist das Wesen der Magie. Sollte er auch nur im geringsten zögern (was manche Männer ja leider gelegentlich tun), so werde ich ihn mit all den Tugenden betören, die ich mir so fleißig angeeignet habe. Ich werde in die Hände klatschen und meine Haare nach hinten werfen, und schon bald wird er meinem Willen gehorchen. Wir werden mit geeignetem Pomp und Zeremonien heiraten, und danach werden wir uns überlegen, den Storch zu rufen, denn Paläste sind ausgezeichnete Orte für Kinder.«
    »Aber was, wenn du all diese Dinge tust, und er dich trotzdem nicht heiratet?« beharrte Electra. Als Kind verfügte sie noch nicht über alle Vorzüge der Prinzessin oder der Magd Millie. Ihr Haar war kaum lang genug, um es ordentlich nach hinten zu werfen, und es besaß weder die goldene Tönung von Millies Haar noch die dunkle Schokoladenfarbe der Prinzessin. Und sie konnte ihren Leib auch nicht auf die richtige Weise zum Beben bringen, egal wie heftig sie auf und ab hüpfte. Ihr Kreischen war zu schrill, es glich kaum dem lieblichen leisen Schreien der anderen. Sie fürchtete, daß sie nur ausgelacht werden würde, sollte sie versuchen, diese Künste an einem wirklichen Mann auszuprobieren.

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