Himmels-Taler
Magie entsprechend aussteuern, können wir gemeinsam den Himmelstaler herstellen, und der wird dann tun, was er tun soll. Ich selbst werde ihn dazu verwenden, um mich an jenen Ort zu begeben, wo ich mit meinen Diensten am meisten ausrichten kann, und diese Dienste werde ich dann vor meinem Tod ableisten. Das ist mein letzter Ehrgeiz und auch der Grund, weshalb ich dich gebeten habe, hierherzukommen.«
»Ooooohhh«, sagte Electra beeindruckt.
Die folgenden drei Jahre waren wunderbar. Electra mußte einfach nur den Kupfertaler mit sich herumtragen, an einer Halskette befestigt, und durfte in dieser Zeit niemanden schockieren. Der Taler befand sich in einem Beutel mit magischen Ingredienzien, die sich durch die Magie miteinander vermischten und ihn mit einer Schicht überzogen; die Zauberin verwendete dafür den komplizierten Ausdruck ›elektrolytische Beschichtung‹. Tatsächlich war es zwar ›electralytisch‹, doch wollte Electra die Zauberin in diesem Punkt nicht unbedingt berichtigen. Ansonsten führte sie ein bemerkenswert leichtes Leben. Millie die Magd und der alte Mann waren sehr angenehme Gesellschaft, und die Zauberin war immer freundlich. Electra bekam so viel Schokoladenmilch und Himbeerpasteten, wie sie nur wollte; wäre sie nicht noch gewachsen, hätte sie sehr dick werden können. Sie durfte den Bildteppich so oft verwenden, wie sie mochte, um einen Besuch nach Hause zu machen oder um auch andere Orte in Xanth aufzusuchen, die an verschiedenen Tagen auf den Bildern erschienen.
Meistens aber spazierte sie nur am hübschen Strand der Insel der Aussicht entlang, die diesen Namen trug, weil die Zauberin hier alle möglichen Aussichten in ihren Webteppichen festhielt. Die schlimmsten Ungeheuer hatte man vertrieben, so daß man hier auch sicher war; Electra konnte sie zwar weiter draußen auf dem Meer oder auf dem Festland jenseits der Bucht erkennen, doch nie näherten sie sich der Insel. Außerdem unterhielt sie sich mit der Zauberin, die sich sehr darüber freute, während ihre alten Hände unermüdlich woben. Sie hatte einen besonderen Baum, der den Rahmen hielt, und sie bewegte das Webschiffchen vor und zurück, verzauberten Faden verwendend, bis sich langsam das Bild formte. Es war faszinierend.
Da kam eines Tages eine Prinzessin zu Besuch. Sie war ungefähr zwanzig Jahre alt und von erstaunlicher Schönheit. Es stellte sich heraus, daß sie dazu verdammt war, in einen Apfel zu beißen, den sie in einer hübsch verzierten kleinen Schachtel mit sich trug, was dazu führen würde, daß sie in einen tausendjährigen Schlaf verfallen würde. Außerdem brachte sie auch einen hübschen Sarg mit, der mit einer üppigen Seidenpolsterung und einem weichen Kopfkissen ausgestattet war; in dem würde sie in Sicherheit sein, solange sie schlief. Nach Ablauf der vorgesehenen Zeit würde ein schmucker junger Prinz sie entdecken und sie mit einem Kuß wecken. Danach würde sie aufstehen und ihn heiraten und für alle Zeiten glücklich mit ihm zusammenleben.
Die Prinzessin war zu der Zauberin gekommen, weil ihr eine passende Bettdecke fehlte. Sie machte sich Sorgen, daß es während der langen tausend Jahre etwas kühl werden könnte, deshalb wollte sie gern eine schöne Bettdecke haben, die natürlich nicht aus irgendeinem beliebigen Stoff sein durfte; immerhin war sie eine Prinzessin. Was sollte der Prinz von ihr denken, wenn er sie, nur mit irgendeinem alten Lumpen bedeckt, vorfand? Also brauchte sie das allerbeste, was zu haben war.
Zufällig hatte die Zauberin gerade ihre letzte Bildweberei beendet, und der Himmelstaler war noch nicht ganz fertig, deshalb war sie gern dazu bereit, zwischendurch die königliche Bettdecke zu weben. Die Prinzessin war eine interessante Person, nicht weil sie sonderlich geistreich gewesen wäre, sondern weil sie die erforderliche Etikette beherrschte und den allerneuesten Klatsch im Königreich kannte. So wußte sie zum Beispiel, daß König Roogna gerade ein stattliches Schloß bauen ließ, das nach ihm benannt werden sollte und von dem aus er Xanth mit Mut und Tatkraft regieren wollte. Es gab aber auch Gerüchte über große Unruhen zwischen Harpyien und Kobolden, und es hieß, daß schon bald ein Krieg zwischen beiden ausbrechen könnte. Das, erklärte die Prinzessin, könnte sehr unangenehm werden. Sie war begierig darauf, ihren langen Schlaf anzutreten, bevor dieses Durcheinander begann. Prinzessin war sie, weil sie in Erbfolge des früheren Königs stand, den Roogna
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