Himmels-Taler
abgelöst hatte; da sie weiblichen Geschlechts war und nur über ein gewöhnliches Talent verfügte, nämlich jene seltsame magische Blume, den Amaranth, blühen zu lassen, gab es hier für sie keinen wirklichen Platz mehr.
Electra fand das alles faszinierend. Sie war jetzt elf Jahre alt, wenngleich sie jünger aussah. Sie wußte, daß es nicht mehr allzu lange dauern würde, bis auch sie zu einer Maid erblühen würde, und sie wollte gern das Benehmen einer richtigen Maid erlernen. In diesen Dingen war die Prinzessin eine absolute Expertin, und gern unterwies sie Electra auch in den allerwinzigsten Kleinigkeiten. Millie die Magd war ebenfalls daran interessiert. So bildeten sie eine kleine Unterrichtsklasse, schüttelten ihr Haar gemeinsam und lernten, im genau richtigen maidischen Akzent zu kreischen. Millie war darin besonders gut, weil sie inzwischen ungefähr siebzehn war und so wohlgeformt, daß die Prinzessin darüber etwas verärgert war. Aber Millie war eine solch nette Person, daß die Prinzessin bereit war, es zu dulden. Die Zauberin beobachtete dieses Treiben mit gedankenvollem Lächeln; ihre nymphische Hoch-Zeit war schon seit vielen Jahrzehnten verstrichen, aber sie verstand nur zu gut, wie wichtig es für die jungen Frauen war, die Männer zu betören.
Die Zauberin hatte die wunderschöne Bettdecke nahezu beendet, und auch der Himmelstaler war fast fertiggestellt, als sie weiteren Besuch erhielten. Diesmal handelte es sich um einen stattlichen und doch finster wirkenden Mann, gedrungen und von mittlerem Alter, der ein etwas schräges Lächeln aufgesetzt hatte. »Oh, verdammte Stopfnadeln!« murmelte die Zauberin, als sie ihn nahen sah. Offensichtlich erkannte sie ihn wieder.
Electra wollte gerade fragen, was es mit dem Mann auf sich habe, da stand er schon in der Tür.
»Ich grüße dich, Zauberin Tapis«, sagte er feierlich.
»Was hast du mit mir zu schaffen, Murphy?« fragte die Zauberin höflich, obwohl dabei die Andeutung mitschwang, daß dieser Besuch sie nicht sonderlich erfreute.
»Bitte, wir wollen uns doch erst einmal richtig vorstellen, bevor wir zum geschäftlichen Teil kommen«, erwiderte der Mann. »Ich sehe, daß du hier eine Schar wahrhaft wunderschöner Maiden versammelt hast.«
Prinzessin, Magd und Electra versuchten zweieinhalb hübsche Errötungsmanöver. Electras gelang halb, denn sie hatte diese Kunst noch nicht bis zur Vollkommenheit erlernt. Aber die Zauberin furchte die Stirn. »Wenn es sein muß. Murphy, das hier ist die Prinzessin, das ist Millie die Magd, und dieses Mädchen heißt Electra; alle haben geschäftlich mit mir zu tun. Kinder, das ist der Magier Murphy, dessen Talent darin besteht, dafür zu sorgen, daß die Dinge schieflaufen.«
Die Prinzessin erbleichte, Millie stieß ein weniger attraktives Kreischen aus, und Electra wich einfach nur zurück. Sie hatten alle von dem Bösen Magier Murphy gehört, der Geißel jeder Ordnung; wo immer er hinging, entstanden Katastrophen aus dem Nichts. Kein Wunder, daß die Zauberin nicht eben erfreut war!
»Ah, ich sehe, daß mein Ruf mir vorauseilt«, meinte Murphy. »Keine Sorge, edle Damen, ich habe mit euch nichts zu schaffen. Ich bin lediglich gekommen, um der Zauberin einen Vorschlag zu unterbreiten.«
»Ich bin daran nicht interessiert!« fauchte die Zauberin, die ausnahmsweise ihr Lächeln vergessen hatte.
»Ah, das solltest du aber. Sollen wir uns vielleicht unter vier Augen unterhalten?«
»Nein.« Noch nie hatte Electra die Zauberin so barsch und unfreundlich erlebt.
»Dann werde ich ihn eben hier und jetzt unterbreiten«, fuhr der Magier fort, als habe er soeben die höflichste aller Einladungen erhalten. »Ich bin gekommen, um mich deiner Unterstützung zu vergewissern, Tapis.«
»Die wirst du nicht bekommen!«
»Oh, hört mich doch erst an, große Dame! Du mußt nämlich wissen, daß ich den Thron von Xanth haben möchte. Da gibt es allerdings ein Hindernis.«
»Den König Roogna«, meinte die Zauberin knapp.
»Gut beobachtet! Da es im Augenblick nur vier Personen von Magierkaliber gibt, ist jede davon in einem solchen Fall von Bedeutung. Es ist offensichtlich, daß der Zombiemeister sich heraushalten wird, denn er ist völlig unpolitisch. König Roogna und ich stehen auf gegnerischen Seiten. Somit bleibst nur du übrig, Zauberin Tapis. Deine Unterstützung würde mein Unterfangen erheblich stärken. Wie kann ich mir deine Hilfe sichern?«
»Das kannst du nicht. Und nun, da die Angelegenheit
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