Himmels-Taler
dir nie erträumen würdest. Und das meine ich als Versprechen.«
Versprechen? Bei solchen Ausdrücken war Dolph sehr vorsichtig geworden. Es bedeutete in Wirklichkeit eine Drohung. Nie würde er darauf hereinfallen!
Am nächsten Morgen zwang sie ihn dazu, eine Schüssel voll Brei zu essen, eine Rache dafür, daß er noch so jung war (oder was auch immer), dann nahm sie wieder Pferdegestalt an, um sie zur Küste zu bringen. Dolph verpaßte Mark einen Tritt, worauf das Skelett zu einer Knochendecke wurde, die Dolph sich um den Leib wickelte.
Als erstes begaben sie sich zum Flußufer zurück, um Dolphs Rucksack zu holen. Sie hatten Glück: Die Harpyien waren nicht darauf gekommen, danach Ausschau zu halten, und der Beutel ruhte noch immer am gegenüberliegenden Ufer. Dolph verwandelte sich in einen Bussard, und nachdem er festgestellt hatte, daß seine Flügelschmerzen nachgelassen hatten, flog er schließlich hinüber und holte den Sack. Danach wurde er wieder zu einem Jungen, zog sich an und bestieg erneut das Pferd, das sie zurück über den Berg nach Osten brachte. Das war wirklich eine nette Form zu reisen!
Als sie die Küste erreichten, dämmerte es bereits. »Ich würde wirklich sehr gern die Nacht mit euch verbringen«, sagte das Pferd. »Aber ich fürchte um meinen Baum. Es sei denn, du möchtest gern…«
»In ein paar Jahren vielleicht«, erwiderte Dolph. Er wußte zwar, daß es nicht recht war zu flunkern, doch erhielt es nicht für klug, ihr die Wahrheit zu sagen: daß er sich niemals für klebrige Dinge interessieren würde, egal wie viele Umstände sie auch darum machen mochte. Mit etwas Glück würde er ihr nie wieder begegnen.
»Genau.« Das Pferd verwandelte sich in einen Falken, der in schnellem Flug nach Westen davonschoß.
»Wieso ist sie keine Magierin, wenn sie doch auch gestaltwandeln kann?« wollte Dolph wissen. »Und wieso kann sie verschiedene magische Dinge tun? Ich dachte immer, daß jeder nur ein einziges magisches Talent besitzt.«
»Sie ist kein Mensch«, erklärte Mark, »sie ist eine Vila, ein magisches Wesen, daß nur zufällig von Natur aus Menschengestalt hat. Du hast doch bemerkt, daß ich auch einige magische Dinge tun kann, was meinen Körper angeht. Ebenso kann sie einige verschiedene Dinge tun, die mit ihrem Wesen zusammenhängen. Dabei handelt es sich nicht um verschiedene Talente, sondern um Aspekte eines einzigen: des Talents, ihren Baum zu beschützen. Sie beschützt ihn, und er ernährt sie. Er spendet ihr Leben, solange er selbst lebt.«
»Schätze, so ist es wohl«, sagte Dolph, obwohl er diese Erklärung ziemlich verwirrend fand. »Aber ihr Baum sieht sehr viel älter aus als sie.« Nun, da er vor ihr in Sicherheit war, fiel ihm ein, daß ihr Körper doch recht interessant anzuschauen gewesen war. Er bedauerte beinahe, daß er nicht mit ihr gerungen hatte.
»Die beiden sind genauso alt«, versicherte ihm Mark. »Vielleicht an die zweihundert Jahre.«
»Zweihundert Jahre! Was wollte sie denn dann von mir?«
»Nur ein Menschenmann kann ihr Kinder bescheren; sie kann sich mit ihrer eigenen Art nicht fortpflanzen, weil es keine männlichen Vilas gibt. Sie hat gehofft, daß du dich mit ihr fortpflanzen würdest, denn dann bekäme sie nicht nur Vila-Nachkommen, sie wären zudem mit dem Königshof von Xanth verwandt und genössen dadurch ein besonderes Ansehen. Darauf ist sie sehr erpicht.«
»Das wird wohl so sein«, pflichtete Dolph ihm bei. »Aber wie wollte sie denn Kinder von mir bekommen? Ich meine, wie ruft man den Storch denn eigentlich genau?«
»Die Sache mit dem Storch gehört zur Verschwörung der Erwachsenen«, antwortete Mark. »Das darf ich dir nicht verraten. Es ist etwas, das du selbst entdecken mußt oder zusammen mit einem kundigen Partner, wenn du erst einmal alt genug geworden bist.«
Mit dieser frustrierenden Antwort mußte Dolph sich zufriedengeben. Er hatte gehofft, daß Mark sich nicht an die Verschwörung der Erwachsenen gegen die Kinderwelt erinnern würde. Er wußte natürlich, daß die kleinen Kinder vom Storch gebracht wurden; das Geheimnis bestand aber in dem Wissen, wie die Erwachsenen es fertigbrachten, den Störchen die entsprechenden Signale zu geben, damit sie die Babys heranschafften. Störche gehorchten nur ganz bestimmten Befehlen und weigerten sich kategorisch, Babys abzuliefern, wenn bestimmte Regeln nicht befolgt wurden. Kein Kind war bisher hinter dieses Geheimnis gekommen; sollten die Kinder das jemals tun,
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