Himmels-Taler
eigentlich keinen Park hätte geben dürfen.
Dolph legte sich auf den Boden und näherte sich mit seiner Ogerschnauze dem Wasser. Doch im selben Augenblick ertönte bachaufwärts ein schrecklicher Schrei. Erschrocken sprang er auf, und auch Mark horchte auf.
Der Wald blieb stumm. Achselzuckend legte Dolph sich wieder hin, wollte erneut trinken – und wieder ertönte der Schrei. Er hörte sich entfernt weiblich an und weniger bedrohlich. Doch als sie abwarteten, zeigte sich nichts, und der ganze Wald blieb ruhig.
Dolph beschloß, möglichst bald etwas zu trinken, bevor das Wesen sie erreichte und angriff und sie fliehen mußten. Natürlich wüßte ein echter Oger gar nicht zu fliegen, was die Dinge etwas verkomplizieren könnte. Sollte Dolph nämlich fliehen müssen, wäre seine Tarnung im Eimer. Ein drittes Mal legte er sich hin und schob die häßliche Ogerschnauze ans Wasser.
Diesmal ertönte der Schrei fast unmittelbar neben ihnen. Eine riesige Bärin trat hervor, ihr Pelz war zerzaust. »Das ist mein Wasser!« schrie sie. »Das bekommt ihr nicht! Haut ab!«
Eine sprechende Bärin? Dolph richtete sich auf. Zwar konnte ein Oger einen Bären bequem zu Brei hauen, aber weil er kein wirklicher Oger war, zögerte er, Gewalt anzuwenden. Statt dessen versuchte er, mit ihm zu diskutieren. »Ich will trinken, was du denken?« Auch seine Ogerreime waren nicht die besten.
Die Bärin zeigte auf den Bach. Sofort veränderte das Wasser seine Farbe und wurde rauchig. »Wenn du davon trinkst, Oger, wirst du sterben! Jetzt ist es zu Gift geworden!«
Wie konnte eine Bärin einen Bach vergiften, ohne ihn auch nur zu berühren? Aber kein Zweifel – jetzt sah das Wasser wirklich gefährlich aus!
Mark stach einen Finger ins Wasser. Der Knochen verfärbte sich. »Ja, das ist tatsächlich Gift«, sagte er. »Das muß eine Vila in Bärengestalt sein.«
Dolph wollte gern fragen, was eine Vila war, aber dazu hätte er entweder einen passenden Reim finden oder sich in seine Jungengestalt zurückverwandeln müssen. Das erste schaffte er im Augenblick nicht, und er zögerte, letzteres zu tun, solange er einem gefährlichen Tier gegenüberstand. Also blieb er einfach nur stupide stehen, was in Ogergestalt nicht sonderlich schwierig war.
»Ja, ich bin Vida Vila, und das hier ist mein Wald!« sagte die Bärin. »Ihr seid Eindringlinge! Für Oger und Skelette Eintritt verboten! Haut ab, bevor ich euch Beine mache.«
Vida? Das hörte sich weiblich an, aber auch höchst gefährlich.
»Wir sind auf der Durchreise«, erklärte Mark. »Mein Gefährte möchte nur einmal trinken können; danach werden wir dein Gebiet wieder verlassen.«
»Haut ab! Haut ab! Haut ab!« schrie die Bärin.
»Na ja, wenn du das so siehst«, meinte Mark. Er wandte sich an Dolph. »Was denkst du darüber?«
Dolph wäre nur zu gern abgehauen. Aber er wollte auch nicht wieder den Harpyien in die Arme laufen. Außerdem war er sehr durstig; schon der bloße Gedanke daran, daß er nicht trinken durfte, machte ihn noch durstiger. »Ich denke, ich trinke«, sagte er.
»Du trinkst? Du stinkst!« schrie die Bärin. »Dann wirst du sterben, und aus deinem Kadaver mache ich Dünger für meine Blumen!«
Diese Vorstellung behagte ihm nicht sonderlich. Hilfesuchend blickte Dolph das Skelett an.
»Ich schätze…« begann das Skelett.
»Haut ab! Haut ab! Haut ab!« schrie die Bärin.
»… daß wir wohl ihren Baum fällen müssen«, schloß Mark.
Die Bärin schrie auf. Offensichtlich ging ihr Marks Drohung wirklich nahe. Sie kam auf das Skelett zu, aber Mark rannte einfach den Berg hinauf.
»Der Baum steht wahrscheinlich auf dem Berggipfel«, rief das Skelett Dolph zu. »Wenn wir ihn gefunden haben, nehme ich die Gestalt einer Axt an, dann kannst du ihn mit mir fällen.«
»Ihr habt gewonnen, ihr habt gewonnen, ihr habt gewonnen!« schrie die Bärin. »Verschont meinen Baum!«
Mark hielt inne. »Dann wirst du also das Wasser entgiften und meinen Freund Prinz Dolph davon trinken lassen?«
» Prinz Dolph?« fragte die Bärin überrascht.
»Ja. Er befindet sich auf einer Queste, und ich bin sein Begleiter. Wir haben nie vorgehabt, dir irgendwelchen Schaden zuzufügen; wir wollen einfach nur etwas trinken und dann weiterwandern.«
Da verschwand die Bärin. An ihrer Stelle stand plötzlich eine wunderschöne junge Frau, deren lockiges rötlichbraunes Haar in Wellen bis zu ihren Füßen herabhing. Ihre Kleidung bestand aus grünen Blättern, die auf magische Weise
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