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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Fische tummeln.
    »Du willst noch bleiben?«, fragte Laura und nestelte an ihrem Kruzifix. »Bei mir?«
    »Nein, bei der Katze!«, lachte Harry. Dann wurde er ernst. »Herrgott noch ma l – natürlich bei dir. Bei wem denn sonst? Alles, was ich hier tue, ist doch ein einziger verzweifelter Antrag. Hast du das nicht gemerkt?«
    Laura war glücklich wie ein Kind, das am Geburtstagsmorgen aufwacht und die verpackten Geschenke sieht. Doch lieber würde sie sich die Zunge abbeißen, als Harry einzugestehen, wie viel ihr seine Worte bedeuteten.
    »Hast du keine Angst«, spottete sie, »dass deine Kameraden in Spanien ohne dich den Krieg verlieren?«
    »Das werden sie nicht wagen«, erwiderte er. »Sie wissen genau, meine Bilder bewirken mehr als tausend Kanonen, und warten deshalb mit der Offensive auf mich. Aber zum Teufe l – was ist das?«
    Laura blickte in die Richtung des Gasthofs. Im Hof stand ein Polizeiwagen mit vergitterten Fenstern. Dahinter, in der Haustür, erkannte sie den Wirt, im Gespräch mit zwei Beamten. Der eine trug eine Uniform, der andere einen Trenchcoat.
    »Wonach suchen die wohl?«, fragte Harry und kratzte sich die Nase.
    »Vielleicht nach ein paar entsprungenen Anstreichern?«, meinte Laura.
    Noch während sie sprach, kamen die Polizisten auf sie zu. Der uniformierte Beamte tippte mit zwei Fingern gegen seinen Helm.
    »Constabler Baxter«, stellte er sich vor. »Sind Sie Harry Winter?«
    »Allerdings«, bestätigte Harry in seinem grauenhaften Englisch. »Warum?«
    »Dieses Telegramm ist heute Morgen aus London gekommen.« Der Constabler zog einen Umschlag aus seiner Uniformjacke. »Es liegt eine Anzeige gegen Sie vo r – wegen Unzucht.«
    Harry war zu keiner Antwort fähig. Während sein Gesicht anschwoll wie ein Ballon, um in einem lauten Nieser zu explodieren, wurde Laura blass. Sie hatte keinen Zweifel, wer dahintersteckte.
    »Hat zufällig ein Mr. Paddington die Anzeige erstattet?«, fragte sie.
    Der Polizist warf einen Blick auf das Telegramm. »Richtig. Woher wissen Sie das?«
    »Mr. Paddington ist mein Vater!« Sie schlug mit dem Handrücken auf das Telegramm. »Was soll der Quatsch? Nur weil ich minderjährig bin? Mr. Winter hat sich nichts zuschulden kommen lassen! Wir haben in getrennten Zimmern geschlafen! Nicht wahr, Harry?«
    Der putzte sich gerade die Nase.
    »Ich weiß«, erwiderte der Polizist, »wir haben mit dem Wirt gesprochen und die Zimmer überprüft.«
    »Na also! Dann lassen Sie uns jetzt gefälligst frühstücken!« Sie schob den Beamten beiseite und nickte Harry zu. »Komm«, sagte sie auf Französisch. »Hier stinkt’s!«
    »Findest du? Ich dachte, das wäre die Landluft.« Er steckte sein Taschentuch ein und reichte ihr den Arm. »Ja, gehen wir. Bevor der Kaffee kalt wird.«
    Sie wandten sich zum Gasthof. Der Wirt, der sie vom Eingang aus beobachtete, wischte sich die Hände an der Schürze ab und öffnete die Tür.
    Doch sie hatten noch keine zwei Schritte getan, da versperrte der Polizist ihnen den Weg.
    »Es steht Ihnen natürlich frei zu tun, was Sie wollen, Miss Paddington«, sagte er, »aber Mr. Winter bleibt hier!« Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, hielt er Harry am Arm zurück.
    »Was fällt Ihnen ein?«, protestierte Harry. »Sie haben kein Recht, mich anzurühren!«
    »Wir wollen Ihnen die Landluft nicht länger zumuten«, erklärte der Zivilbeamte, der bisher geschwiegen hatte, in fließendem Französisch. »Zu Ihrem Verständnis, Mr. Winter«, fügte er sodann auf Englisch hinzu, »die Klage lautet nicht auf Verführung Minderjähriger, wie Sie offenbar vermuten, sondern auf Pornografie, in Verbindung mit Gotteslästerung.« Er nahm seinem Kollegen das Telegramm aus der Hand, faltete es wieder zusammen und ließ es in der Brusttasche seines Trenchcoats verschwinden. »Nach unseren Informationen waren bei dem Vorfall rund zweihundert Personen anwesend, die die Sache jederzeit bezeugen können.«
    Laura begriff. Der Auftritt in der Galeri e … Harry war genauso sprachlos wie sie. Mit großen Augen und offenem Mund stand er da, ohne dass ein Ton über seine Lippen drang. In seinem schwarzen Cape sah er aus wie ein Zauberer, dem ein Kunststück misslungen war und dem man nun den Applaus versagte.
    »Mr. Winter«, sagte der Zivilbeamte, »hiermit teile ich Ihnen mit, dass man Sie zum ›unerwünschten Ausländer‹ erklärt hat. Sie haben achtundvierzig Stunden Zeit, England zu verlassen.« Er gab dem Constabler mit dem Kopf ein Zeichen.

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