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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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aufgebaut war, mit einem Tabernakel als Aufsatz.
    Geraldine schüttelte den aschblonden Pagenkopf und zog ihr Gouvernantengesicht. »Warte nur ab.«
    Laura hatte eigentlich gar keine Lust auf die Matinee gehabt, und noch beim Frühstück war sie unschlüssig gewesen, ob sie ihre Freundin überhaupt begleiten sollte. Wozu sollte sie sich Bilder anderer Künstler ansehen? Sie war selber eine Künstlerin! Doch Geraldine hatte ihr ein Spektakel in Aussicht gestellt, das ihr den Atem rauben würde. Außerdem hatten ihre Eltern ihr den Besuch der Ausstellung kategorisch verboten. Laura sollte in drei Wochen am Hof debütieren, und ihr Ballkleid war immer noch nicht fertig.
    »Wie gefällt er dir?«, fragte Geraldine, als Harry Winter die kleine Bühne betrat.
    »Von wem redest du?«
    »Tu nicht so scheinheilig! Von IHM natürlich.«
    »Ach so.« Laura zuckte die Schultern. »Ein schöner Mann ist er nicht gerade. Aber er versteht es großartig, gut auszusehen.«
    »Kein schöner Mann? Angeblich hat er mehr Frauen zugrunde gerichtet als Bilder gemalt.«
    »Dann muss er wirklich ein Künstler sein.«
    »Pass auf, die Vorstellung beginnt.«
    Als Laura sich wieder nach vorne wandte, trat eine elfenhafte, zerbrechlich wirkende junge Frau mit einer Mähne aus goldenen Locken zu Harry Winter auf die Bühne. Laura runzelte die Stirn. Sah sie wirklich, was sie sah? Die Frau trug ein fast durchsichtiges Kleid aus beiger Seide und darunte r – NICHTS ! Durch den hauchdünnen Stoff waren ganz deutlich die Spitzen ihrer Brüste zu erkennen und auch die dunkle Wölbung ihrer Scham. Mit wehenden Schleiern umtanzte sie Harry Winter. Die grünen, staunenden Augen unverwandt auf ihn gerichtet, griff sie unter sein Cape und holte aus dem Dunkel darunter einen Gegenstand hervor, der auf den ersten Blick wie ein nackter muskulöser Unterarm aussah, sich in Wahrheit aber als etwas entpuppte, wofür Laura nur das Wort Priapus einfiel. Von irgendwoher ertönte ein Harmonium, und während die Akkorde anschwollen, hob die Elfe den künstlichen Phallus in die Höhe, küsste ihn unter Tränen und verschloss ihn dann in dem Tabernakel auf dem Altar.
    »In pace requiescat« , verkündete sie mit trauerumflorter Stimme, als die Orgeltöne verebbten. »Möge er ruhen in Frieden.«
    Eine unbekannte Erregung erfasste Laura. Der Skandal ihres Lebens war, dass sie noch Jungfrau war. Alle ihre Versuche, dies zu ändern, waren an der Schüchternheit der infrage kommenden Kandidaten gescheitert. Sie hatte bisher noch nicht mal einen erwachsenen nackten Mann gesehe n – außer vielleicht im Zeichensaal, aber das zählte nicht. Jetzt begriff sie mit jeder Faser ihres Leibes, warum sie unter diesem Defizit so sehr gelitten hatte. Das Organ, das die Elfe auf der Bühne gerade mit ergreifend zärtlicher Wehmut in dem Tabernakel einschloss, schien auf geradezu perfekte Weise für jenen Dienst geschaffen, den die Natur dafür vorgesehen hatte.
    »Sag mal, machen die sich lustig über uns?«, fragte Laura.
    »Das kann man bei Harry Winter nie wissen«, erwiderte Geraldine. »Manchmal sind seine Scherze reiner Blödsinn, manchmal bitterer Ernst. Meistens aber beides gleichzeitig.«
    »Dann kann ich für ihn nur hoffen, dass seine Elfe den Schlüssel nicht verliert«, sagte Laura.
    »Den Schlüssel zum Tabernakel?« Geraldine schaute sie mit hochgezogenen Brauen von der Seite an. Dann grinste sie über das ganze Gesicht. »Na, du bist ja ganz schön beeindruckt.«
    »So ein Blödsinn!«, zischte Laura.
    »Blödsinn? Aha!«
    »Pssssst!«
    Während Laura ihrer Freundin die Hand vor den Mund hielt, trat Harry Winter an den Rand der kleinen Bühne, und ohne eine Miene zu verziehen, hob er die rechte Hand, um ein Gelübde zu leisten, mit der feierlichen Ernsthaftigkeit eines Priesters.
    »Ich habe beschlossen, mich künftig nur noch zwei Dingen zu widmen«, erklärte er, »der Kunst und dem Krieg. Noch diesen Monat werde ich nach Madrid aufbrechen, um gegen die Faschisten zu kämpfen. Wir werden die Barbaren dieser Welt besiegen. Mit dem Geweh r – und mit meinen Bildern!«
    Er hatte noch nicht ausgesprochen, da brandete so lauter Applaus auf, als würde der Schlachtenlärm des spanischen Bürgerkriegs mitten in London ertönen.
    3
    Kaum war Harry Winter von der Bühne verschwunden, leerte sich die Galerie, als würde ein riesiger Staubsauger das Publikum aus den Ausstellungsräumen saugen. An der Garderobe herrschte dafür umso dichteres Gedränge. Es war schon fast

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