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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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ihm zu antworten, verdrehte Laura die Augen. Seit einem halben Jahr war sie mit Roberto verheiratet, doch kaum ein Tag verging, ohne dass er damit anfing. Wie hatte sie so dämlich sein können, ihm von der Sache zu erzählen? Sie hatte sie nur ganz nebenbei erwähnt, eigentlich nur laut darüber nachgedacht, ob sie sich noch in Lissabon oder erst in Amerika untersuchen lassen sollte. Seitdem kannte er kein anderes Thema mehr. Sogar wenn sie miteinander schliefen, gab er keine Ruhe. Statt sie zu liebkosen, wie es sich für einen Ehemann gehörte, tastete er an ihr herum, als wäre er ihr Gynäkologe.
    »Musst du eigentlich immer malen, wenn ich mit dir spreche?«, fragte Roberto. »Ich mache mir ernsthaft Sorgen um meine Sternschnuppe.«
    »Bist du mein Mann oder meine Gouvernante? Wenn du so weitermachst, werde ich in Zukunft Geraldine zu dir sagen. Und bitte hör endlich auf, mich Sternschnuppe zu nennen. Ich heiße Laura.«
    »Von mir aus Laur a – Laura ! Aber das ändert nichts an der Sache. Ich bin Mexikaner. Also trage ich die Verantwortung für dich! Schließlich bist du meine Frau!«
    »Mach dich nicht lächerlich. Ich kann selber auf mich aufpassen.«
    »Das kannst du nicht. Sonst wärst du längst zum Arzt gegangen!«
    »Bitte Roberto, mach mich nicht verrückt. Wahrscheinlich habe ich mir ja alles nur eingebildet. Wenn du wüsstest, was ich mir schon eingebildet habe. So viel Tequilla kannst du gar nicht trinken.«
    Sie trat von der Staffelei zurück und betrachtete ihr Bild. Vor der düsteren Kulisse einer Schlossruine hatten sich all die Dämonen versammelt, die sie während ihrer Krankheit befallen hatten, um miteinander ein Picknick im Grünen zu veranstalten. Eigentlich eine recht lustige Gesellschaft. Doch irgendwie hatten sie alle ihr Lachen verloren. Genauso wie sie.
    »Hör endlich auf, mir auszuweichen!«, sagte Roberto. »Ich habe es selber gefühlt, mit meinen eigenen Händen. Also bestehe ich darauf, dass du dich untersuchen lässt.«
    »Hat das nicht Zeit bis Amerika?«
    »Wenn wir bald abreise n – ja. Wenn wir noch länger bleibe n – nein.«
    Als sie weiter malte, ohne etwas zu sagen, trat er zu ihr und nahm ihr den Pinsel aus der Hand.
    »Lass uns abreisen, Laura. Bitte.«
    »Du tust gerade so, als hätte ich was dagegen. Von mir aus jederzeit!«
    »Dann pack die Koffer! Morgen läuft die Queen Mary nach New York aus.«
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass da noch Plätze frei sind.«
    »Ich bin Diplomat! Ein Anruf bei der Reederei genügt, und wir bekommen jede Kabine, die wir wollen.«
    »Bitte Robert o – wozu diese Eile? Du bist ungeduldiger als ein Kind. Du siehst doch, dass mein Bild noch nicht fertig ist.«
    Sie wollte sich wieder der Staffelei zuwenden, doch er hielt sie zurück.
    »Ist es wirklich das Bild?«
    Er hob ihr Kinn, sodass ihr gar nichts anderes übrig blieb, als ihm in die Augen zu schauen. Ein Zucken spielte um seinen Mund, doch diesmal sah er ganz und gar nicht aus wie ein Matador. Eher wie ein Stier, den die Picadores schon blutig gestochen haben.
    »Du hoffst noch immer, dass Harry hier auftaucht, nicht wahr?«
    9
    Während der Zug sich den Pyrenäenpass hinauf quälte, griff Harry in die Brusttasche seines Jacketts, um sich zum hundertsten Mal zu vergewissern, dass seine Papiere noch an Ort und Stelle waren. Bis zur spanischen Grenze waren es nur noch ein paar Minuten, und mit jedem Meter, den die Grenze näher kam, wuchs seine Nervosität.
    Würden die Franzosen ihn außer Landes lassen?
    Obwohl in dem Erste-Klasse-Abteil, das Debbie ihm spendiert hatte, nur noch ein älteres Ehepaar saß, das in San Sebastian seit dreißig Jahren zur Kur ging, hing ein ekelhaft ranziger Geruch in der Luft, wie von alten, ausgelatschten Schuhen. Harry wusste zwar, dass er sich den Gestank nur einbildete. Dennoch glaubte er die Ausdünstungen so deutlich zu riechen, dass sie ihm in der Nase juckten. Wenn Laura mit ihrem Stierkämpfer aus Portugal abreiste, bevor er selber in Lissabon ankam, würde er sie wahrscheinlich niemals wiedersehen.
    Herrgot t – warum kroch der Zug nur so fürchterlich langsam voran? Um seine Nervosität zu bekämpfen, zündete Harry sich eine Zigarette an. Gleich nach der ersten Nacht, die Debbie und er miteinander verbracht hatten, waren sie zum amerikanischen Konsulat gefahren, um ein Notvisum zu besorgen, auf das Harry als Häftling dreier Internierungslager und bekannter Hitlergegner angeblich Anspruch hatte. Das stand zwar in keinem Gesetz,

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