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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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die Liebe und die Enttäuschungen.
    Plötzlich kam ihr ein schlimmer Verdacht. War Harry vielleicht schon in Lissabon? Bei Laura? Debbie hatte Roberto Jiménez in Estoril getroffen, bei einem Empfang des amerikanischen Botschafters im Spielcasino, und er hatte ihr erzählt, dass Laura und er ihre Abreise aus Europa planten. Laura müsste nur noch einen kleinen Eingriff hinter sich bringen, dann würden sie nach Amerika aufbrechen.
    Debbie griff gerade zu ihrem Glas, da spuckte die Drehtür eine große, hagere Gestalt aus: Harry. Während sich alle Blicke in der Halle auf ihn richteten, kam er mit seinem strahlendsten Lächeln auf sie zu. Debbie sprang von ihrem Sessel auf und lief ihm entgegen.
    »Gott sei Dank, du hast es geschafft!«
    »Aber natürlich! Hast du etwa daran gezweifelt?«
    Obwohl sein Anzug schmutzig war und von der Reise roch, drückte sie ihn an sich. Für eine Sekunde überlegte sie sogar, das linke Bein anzuwinkeln.
    »Ich hatte solche Angst um dich. Du hättest schon gestern hier sein müssen.«
    »Ich habe in Madrid Zwischenstation gemacht, um mir ein paar Bilder anzuschauen. Ich bin noch nie im Prado gewesen. Dieser Goya ist gar nicht so untalentiert.«
    Debbie verstan d – das war seine Rache, dass sie in Marseille nicht auf ihn gewartet hatte. Doch sie ließ sich nichts anmerken. Diese kleine Strafe hatte sie verdient.
    Zärtlich nahm sie seine Hand. »Komm«, sagte sie und führte ihn zu ihrer Sitzecke am Kamin, »du musst mir alles erzählen.«
    Noch während der Kellner Champagner einschenkte, plauderte er los.
    »Ich habe um mein Leben gemalt. Zuerst habe ich wirklich gedacht, sie schicken mich zurück nach Pau. Der Stationsvorsteher konnte ja nicht einfach sagen, dass ich den Zug nach Spanien nehmen soll. Was für ein kluger Mann! Stell dir nur vor, beim Abschied hat er sogar Haltung angenommen und vor mir salutiert. ›Monsieur‹, hat er gesagt, ›ich verehre das Talent. Sie haben großes Talent. Ich bewundere Sie.‹«
    »Deine Kunst hat dich gerettet!«, rief Debbie begeistert. »Das geht in die Kunstgeschichte ein!«
    Sie war erleichtert, lachte, strahlte, himmelte ihn an, und doch war nichts genug, um ihrem Glück Ausdruck zu geben. Ja, sie hatte sich nicht getäuscht, sie liebte ihn wirklich und wahrhaftig! Während sie Gott oder wem auch immer dafür dankte, dass sie zu solchen Gefühlen noch fähig war, schloss sie ihn abermals in die Arme.
    Doch als sie ihn küssen wollte, wehrte er ab.
    »Hast du etwas von Laura gehört?«
    Seine Frage war ein Dolchstoß in ihr Herz. Statt ihm zu antworten, ließ sie ihn los und schaute zu Boden. Nur so gelang es ihr, nicht in Tränen auszubrechen.
    Harry begriff, warum sie schwieg.
    »Wo ist sie? Ist sie hier? In Lissabon? Mit Roberto, diesem Kretin?«
    Als Debbie den Kopf hob, sah sie sein Gesicht. Sie konnte nicht sagen, was stärker darin war: seine Liebe oder seine Verzweiflung. In diesem Augenblick begriff sie, dass sie nur eine Chance hatte, Harry für sich zu gewinnen: wenn Laura ihn zurückwie s …
    »Nun mach schon den Mund auf«, drängte Harry. »Warum sagst du nichts?«
    Obwohl Debbie wusste, dass sie damit alles auf eine Karte setzte, beschloss sie, ihm die Wahrheit zu sagen. Sie hatte keine andere Wahl.
    »Ja«, sagte sie. »Laura ist hier, in Lissabon. Sie ist im Krankenhaus.«
    11
    Harry hasste Krankenhäuser, der Gestank von Karbol war ihm zuwider, und wann immer es möglich war, machte er einen Bogen um diese Kathedralen scheinheiliger Nächstenliebe, in denen weiß gekleidete Halbgötter, umflattert von schwarz gefiederten Nonnen, sich am Elend ihrer Schutzbefohlenen weideten wie einst Gottvater am Elend seines gekreuzigten Sohnes. Doch als er an diesem Vormittag im Taxi zum katholischen Stadtkrankenhaus von Lissabon fuhr, hatte er es so eilig, dass er dem Chauffeur fünf amerikanische Dollar versprach, damit er bei Rot über die Ampel fuhr. Ohne seinen Champagner auszutrinken, hatte er Debbie im Foyer des Grand-Hotel sitzen lassen. Er hatte sich noch nicht mal von der Reise frisch gemacht, geschweige denn den Anzug gewechselt.
    Ohne nachzuzählen, warf er dem Fahrer eine Handvoll Geldscheine hin und sprang aus dem Wagen. Doch als er die imposante Eingangstreppe des Hospitals betrat, schwand sein Hochgefühl. Mit einer Mischung aus Hoffen und Bangen schaute er an dem düsteren Gebäude empor, das ihm plötzlich wie das Torhaus seiner Zukunft erschien.
    Würde er seine Windsbraut zurückgewinnen?
    Die Verunsicherung

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