Himmelsdiebe
Genuss gewesen, ihm die Nachricht zu überbringe n – fast hätte er darüber seinen Pudding vergessen. Leider hatte Harry nicht den geringsten Grund, an seinen Worten zu zweifeln. Im Gegenteil. Tief in seinem Innern hatte er schon lange befürchtet, was Pompon nur ausgesprochen hatte. Warum sonst hatte Laura das Zauberhaus verkauft und sich ohne ihn aus dem Staub gemacht? Warum sonst hatte sie die Himmelsbeute in Sainte-Odile zurückgelassen? Warum sonst hatte sie seinen Pass mitgenommen, sodass er sich nicht hatte vom Fleck rühren können?
Nein, Harry machte sich keine Illusionen. Geraldine hatte ihm schließlich klipp und klar gesagt, woran er war. Laura liebte ihn nicht mehr. Ihre Gesundheit war ihr wichtiger gewesen. Das war die simple Wahrheit: Sie hatte sich ihre Gesundheit um den Preis ihrer Liebe erkauft, um sich fortan mit einem Stierkämpfer zu trösten.
Plötzlich verwandelte sich sein Schmerz in Wut. Mit der Schuhspitze trat er gegen ein kopulierendes Krötenpaar, sodass es wie ein Fußball durch die Luft flog. Das war der erbärmlichste Verrat, von dem er je gehört hatte!
»Verkaufen Sie mir jetzt das Bild?«, fragte eine Stimme in der Dunkelheit.
Harry fuhr herum. Auf der Treppe stand Debbie Jacobs. Weiß schimmerten ihre nackten Schultern im Mondschein.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, es ist unverkäuflich«, brummte er.
»Und wenn ich Ihnen zehntausend biete?«
Alles in Harry drängte danach, Ja zu sagen. Doch genau deshalb sagte er Nein.
»Ich verstehe«, erwiderte Debbie, während sie die Treppe herunterkam. »Sie hängen immer noch an ihr. Aber das macht nichts. Ich habe Wettbewerb nie gescheut. Konkurrenz belebt das Geschäft!«
Harry schüttelte den Kopf. »Laura ist nicht der Grund«, sagte er, ohne zu wissen, ob es die Wahrheit oder eine Lüge war. »E s … es ist wegen mir selbs t …«
»Das ist der einzige Grund, den ich bereit bin zu akzeptieren.« Debbie steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. »Haben Sie Feuer?«
»Natürlich.«
Als Harry ein Streichholz anzündete, führte sie seine Hand zu ihren Lippen. Während die Flamme zwischen ihnen zitterte, schaute sie ihm tief in die Augen.
»Was vertrödeln Sie hier Ihre Zeit, Harry? Verlassen Sie diesen verrotteten Kontinent. Kommen Sie mit mir in die USA . Ganz Amerika wartet auf Sie. Die Menschen dort werden Ihnen zu Füßen liegen.«
»Glauben Sie?«, erwiderte er. Obwohl er sich dagegen wehrte, fühlte er sich geschmeichelt.
Statt ihm zu antworten, zog sie mit einer spöttisch erhobenen Braue an ihrer Zigarette. Während ihr Blick weiter fest auf ihn gerichtet blieb, blies sie mit dem inhalierten Rauch die Flamme aus. Feinster Virginia-Tabak, wie Harry registrierte.
»Falls Sie sich nichts schenken lassen wollen«, sagte sie, »kann ich mir auch eine andere Form der Wiedergutmachung vorstellen. Es muss ja nicht immer Kunst sein.«
Harry musste schlucken. Täuschte er sich oder war ihre Stimme rauer als sonst? Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er nicht mal die Farbe ihrer Augen kannte. Er verfluchte seine Unaufmerksamkeit. Eine Bemerkung zu ihren Augen wäre jetzt Gold wert gewesen. Aber die Glut der Zigarette verbreitete nicht genügend Licht.
»Un d – woran haben Sie gedacht?«, fragte er.
»Ich habe Durst«, sagte Debbie. »Haben Sie vielleicht noch etwas zu trinken?«
Harry zögerte. Er erinnerte sich an den Schwur, den er vor Jahren geleistet hatte, am Flussbett der Ardèche, nachdem Laura und er sich auf den Steinen geliebt hatten. Aber die Erinnerung beherrschte ihn nur eine Sekunde. Was zum Teufel zählte jetzt noch ein Schwur? Auge um Aug e … Verrat um Verra t …
»Ja«, sagte er schließlich, und seine Stimme klang auf einmal genauso rau wie ihre. »Eine Flasche Wein habe ich noch, auf meinem Zimmer.«
»Einen guten französischen Wein?«, fragte sie. Sie war jetzt so nah, dass er ihren Atem auf seinem Gesicht spürte.
Harry nickte. »Ich habe ihn selber gekeltert. Aus dem eigenen Weinberg.«
»Wie interessant«, lächelte Debbie. »Ich kann es gar nicht erwarten, davon zu probiere n …«
Als er sie küsste, erinnerte er sich. Ihre Augen waren grün.
8
»Warst du endlich beim Arzt?«, wollte Roberto wissen.
»Nein«, sagte Laura und malte weiter, ohne von ihrer Arbeit aufzuschauen.
»Warum nicht? Du hattest es mir fest versprochen.«
»Erst will ich mein Bild fertig malen.«
»Das sagst du jedes Mal. Aber mit so etwas spaßt man nicht. Wie oft soll ich dir das noch sagen?«
Statt
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