Himmelsdiebe
beschränken. Wir müssen hier ganze Arbeit leisten. Wie wär’s mit ein paar Gedichten von Pierre Lauréat im Katalog?«
Bei der Nennung des Namens wurde Pompons Miene zu Beton.
»Nur über meine Leiche«, sagte er. »Lauréat ist ein Kollaborateur!«
»Wie kommst du denn auf den Quatsch?«
»Von wegen Quatsch! Ich habe meine Informatione n …«
»Dass ich nicht lache! Pierre hat meine Entlassung aus dem Lager bewirkt, er hat sich für mich beim französischen Ministerpräsidenten verwandt. Er ist ein Freund und Bruder! Seine Poesie ist das Blut in den Adern unserer Körper.«
»Und wenn du dir den Mund fusselig redes t – ich traue ihm nicht über den Weg!«
»Sag ihm das ins Gesicht! Von Mann zu Mann!«
»Wie denn? Monsieur zieht die Gesellschaft der Nazis in Paris ja der unsrigen vor.«
»Willst du ihm zum Vorwurf machen, dass er in Frankreich geblieben ist?«
»Nein. Ich an deiner Stelle würde mich nur fragen, warum.«
»Merde« , fluchte Harry und warf sein Besteck auf den Teller, dass es nur so schepperte.
Mit einem Schlag verstummten die Gespräche. Ein verbiestertes Schweigen füllte den Raum, sogar an den Nebentischen hörten die Gäste auf zu reden und drehten sich mit großen Augen um. So viel Französisch verstanden auch sie.
Debbie sah nur eine Möglichkeit, die Party zu retten. Mit einem Fingerschnippen rief sie den Kellner herbei.
»Zum Nachtisch für jeden ein Stück von dieser wunderbaren Käsetorte.« Sie zeigte auf den Nachbartisch, und mit einem Blick auf Pompon fügte sie hinzu: »Für den Herrn bitte eine doppelte Portion.«
»Aber mit Sahne«, ergänzte Pompon in tadellosem Englisch.
Debbie spürte, wie Harry unter dem Tisch nach ihrer Hand tastete. Ihr Herz registrierte es mit einem kleinen Aussetzer. Wollte er sich bei ihr bedanken? Während sie den Druck seiner Hand erwiderte, geschah plötzlich das Wunder: Harry beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf den Mun d – mit Zunge und allem Drum und Dran!
»Aber doch nicht vor unseren Gästen«, flüsterte Debbie selig.
Als sie die Augen aufschlug, war der Friede unter den Kulturbotschaftern wiederhergestellt: Mit verklärten Gesichtern schaufelten sie ihre Torte in sich hinein. Während Harry und Pompon genüsslich schmatzend miteinander besprachen, welche Maler an der Ausstellung teilnehmen sollten, um den amerikanischen Barbaren einen Begriff von europäischer Kultur zu vermitteln, wandte Debbie sich an Bobby, der zu ihrer Rechten saß und den ganzen Abend kaum etwas gesagt hatte.
»Sind Sie glücklich, dass alles so ausgegangen ist?«, fragte sie.
»Ja, sicher. Ic h … ich wünschte mir nur, meine Mutter könnte auch hier sein.«
»Sie sind ein wunderbarer Junge.« Debbie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Was meinen Si e – wollen wir Freunde sein?«
Schüchtern erwiderte er ihren Blick. Debbie wurde ganz warm ums Herz. Bobby sah wirklich aus wie die Miniaturausgabe seines Vaters.
»Harry kann stolz auf Sie sein«, sagte sie. »Ich habe Todesängste ausgestanden, als er in Ellis Island saß, und ich weiß nicht, was ohne Sie bei der Anhörung geschehen wäre. Sie haben sich einfach fabelhaft benommen.«
Sie hob ihr Glas und prostete ihm zu. Doch bevor sie miteinander anstoßen konnten, ergriff abermals Pompon das Wort.
»Wer ist denn das auf deinem Schoß, Harry? Eine neue Geliebte?«
Als Debbie sich umdrehte, fiel ihr beinahe das Glas aus der Hand. Auf Harrys Oberschenkel hockte die alberne Stoffpuppe mit den Zottelfransen, die er seit ihrem Abflug in Lissabon dauernd mit sich herumschleppte. Wo kam die plötzlich her?
Als sie die offene Aktentasche sah, wusste sie die Antwort.
»Ein Geschenk von Laura«, sagte Harry. »Sie hat sie mir mitgebracht, von der anderen Seite.«
Obwohl er so gleichgültig wie möglich sprach, platzte er beinahe vor Stolz. Wie ein frischgebackener Papa saß er da und spielte mit den Ärmchen der Puppe, beglückt von den vielen neugierigen Blicken, die auf ihn gerichtet waren.
»Von der anderen Seite?« Pompon verzog verächtlich das Gesicht. »Na bravo! Dann hast du wenigstens eine Erinnerung an deine Windsbraut.«
»Wozu brauche ich eine Erinnerung?«, erwiderte Harry irritiert. »Laura wird spätestens nächste Woche hier in New York sein.«
Pompon zuckte die Schultern. »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
»Was willst du damit sagen? Hast du irgendwas von ihr gehört?«
»Von ihr nicht, aber von ihrem Bräutigam.« Pompon wartete, bis alle Blicke sich auf ihn
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