Himmelsdiebe
drängte an die Brüstung der Plattform, wo bereits mehrere Dutzend Menschen warteten. Tatsächlic h – wie ein riesiger Vogel schwebte der PanAm -Clipper von dem wolkenlosen blauen Himmel auf das Rollfeld herab und breitete seine Flügel aus, um mit quietschenden Reifen zu landen. Kaum war die Maschine zum Stillstand gekommen, schwärmten Arbeiter in orangefarbenen Overalls aus und arretierten die Gangway.
Bobby stellte sich auf die Zehenspitzen. Gleich würde sein Vater mit Laura Paddington aus dem Flugzeug steigen, einer Frau, die kaum älter war als er selbst. Doch als die Tür sich öffnete und er zwischen den Passagieren seinen Vater erkannte, runzelte er die Brauen. Statt mit Laura kam Harry mit einer roten Puppe auf dem Arm die Gangway herunter. Dabei unterhielt er sich angeregt mit einer Frau, die Bobby noch nie zuvor gesehen hatte. Typisch Dada! Wahrscheinlich hatte er sie während des Flugs kennengelernt.
»Ist das nicht Debbie Jacobs?«, raunte ein junges Mädchen voller Ehrfurcht.
»Du meins t – die Millionenerbin?«, erwiderte ihre Freundin.
Bobby spuckte sein Kaugummi aus und lief hinunter in die Ankunftshalle. Als er die Zollschranke erreichte, war sein Vater schon d a – umringt von Reportern, die Fotos von ihm schossen. Ein Polizist hatte ihn am Arm gepackt. Hilflos wie ein Kind stand er da, inmitten eines zuckenden Blitzlichtgewitters. Die Puppe in der Hand, mit einem schiefen Grinsen im Gesicht, blickte er in die Kameras, während die fremde Frau mit einem Beamten der Einwanderungsbehörde diskutierte.
»Nennen Sie mir die Höhe der Kaution. Ich lasse Ihnen das Geld sofort anweisen.«
»Tut mir leid, Miss Jacobs. Ich kann Ihren Begleiter nicht ohne Verhör einreisen lassen. Unmöglich! Er hat einen deutschen Pass.«
Während die Frau und der Beamte miteinander stritten, wandte Harry sich in Bobbys Richtung. Als er seinen Sohn sah, wich das schiefe Grinsen aus seinem Gesicht, und seine blauen Augen leuchteten auf. Er sagte etwas zu dem Polizisten, der ihn bewachte, doch der Polizist hielt ihn am Arm zurück.
»Das ist doch lächerlich!«, rief die Frau. »Wo ist das nächste Telefon? Ich möchte mit dem Bürgermeister sprechen!«
»Das können Sie gerne tun«, erwiderte der Beamte. »Aber ich glaube nicht, dass Ihnen das hilft. Vorschrift ist Vorschrift.«
Während die Reporter mit ihren Kameras verschwanden, schaute Bobby sich um. Wo war Laura? Plötzlich ließ die fremde Frau den Mann von der Einwanderungsbehörde stehen und kam auf ihn zu. Bobby fielen zuerst nur ihre seltsam dünnen Beine auf, die in lächerlichem Kontrast zu ihrer eckigen Figur standen. Mit einem warmen Lächeln in ihren braunen Augen streckte sie ihm eine knochige Hand entgegen.
»Sie müssen Bobby sein«, sagte sie. »Ihr Vater hat während des ganzen Flugs nur von Ihnen gesprochen.«
Als er ihre Hand nahm, zog sie ein Gesicht wie das hässliche Entlein, als es zum ersten Mal im Wasser sein Spiegelbild sah. Unsicher erwiderte Bobby ihren Händedruck. Was hatte er mit dieser Frau zu tun?
»Ich bin Debbie Jacobs«, erklärte sie. »Ihr Vater und ic h …«
Bevor sie aussprechen konnte, trat Harry an die Schranke, zusammen mit dem Polizisten. Bobby ließ die Hand der fremden Frau los, um seinen Vater zu begrüßen. In einer Aufwallung der Gefühle wollte er ihn umarmen. Doch der Polizist hielt Harry immer noch zurück. Sie konnten einander nicht einmal die Hände über die Schranke reichen.
»Hello, my son« , radebrechte sein Vater, »how are you?«
2
Seit zwei Tagen saß Harry in der Festung von Ellis Island, einer Manhattan vorgelagerten Insel im Hafengebiet von New York, wo sich der Sitz der amerikanischen Einwanderungsbehörde befand. Durch das Fenstergitter seiner Zelle hatte er eine vorzügliche Aussicht auf die Freiheitsstatue.
»Ganz Amerika wartet auf Sie«, hatte Debbie versprochen. »Die Menschen dort werden Ihnen zu Füßen liege n …«
Mit verächtlichem Schnauben nahm er die New York Times , die ein Gefängniswärter ihm am Morgen mit dem Frühstück gebracht hatte. Auf der Titelseite prangte, beinahe lebensgroß, sein Gesicht. Wie ein Idiot blickte er in die Kamera. Deutscher Maler am Flughafen verhaftet– entarteter Künstler oder Nazi? Noch schlimmer als seine dümmliche Miene war seine Frisur. Sein weißes Haar, das er stets mit äußerster Sorgfalt quer über den Schädel scheitelte, war so zerzaust, dass jedermann seine Glatze sehen konnte.
»Mit Ihrem Pass unterstehen Sie dem
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